[Wissenschaft] Buchleser sind bessere Menschen?

Heute erneut eine Studie, gefunden bei Bento. Demnach hat eine britische Wissenschaftlerin einen möglichen Zusammenhang zwischen dem bevorzugten Medienkonsum und dem Charakter festgestellt.

Dabei wurden 123 Probanden online über ihre Medien- und Genrevorlieben befragt, und sollten darüber hinaus Fragen darüber beantworten, wie empathisch sie sind. Dabei ergab sich für die Stichprobe, dass diejenigen, die Romane und Theaterstücke bevorzugten, sich besonders prosozial verhalten, während Fernsehliebhaber dabei die niedrigsten Werte aufwiesen. Auch Genres selbst wiesen dabei Unterschiede auf.

Die Studie hat allerdings eine noch geringere Anzahl als die, die Fantasyleser als moralisch ‚flexibel‘ bezeichnet hatte. Darüber hinaus wurde nicht untersucht, welche Wirkrichtung vorliegt, also ob Leser von Natur aus ein höheres Einfühlungsvermögen haben, oder aber, ob die Menschen, die das haben, von Natur aus eher zu Büchern greifen.

Neben der Studie, die wiederum eher als hypothesenbildend und nicht als repräsentativ angesehen werden kann, sticht hier aber der gut formulierte Artikel heraus, der eben genau darauf hinweist und immer wieder deutlich macht, dass man die Ergebnisse nicht ohne Weiteres als gegebene Fakten hinnehmen sollte.

[Wissenschaft] Eine amerikanische Studie sagt …

… dass Fantasy- und Science Fiction-Leser eine lockere Moral haben.

Das sagt zumindest eine neue Studie in ‚Psychology of Aesthetics, Creativity and the Arts‘, sofern man der Zusammenfassung glauben kann. Leider ist der Artikel nicht kostenlos online verfügbar und die Zeitschrift zumindest an meiner Uni nicht im Abonnement. Ich werde dennoch versuchen, daran zu kommen und zu schauen, ob der verlinkte Artikel die Studie korrekt wiedergibt.

Aber zunächst einmal: Wie kommen sie drauf?

The study featured 253 adults recruited online through a variety of sources, including Facebook, Twitter, and „reader-focused sites such as Goodreads and Book Balloon.“ A majority reported reading one to four books per month for pleasure.

Participants were instructed to evaluate a series of ethical scenarios. They were asked whether it is „ever morally permissible“ to perform a wide range of actions, including cheat on an exam; use illegal means to avoid paying taxes; sacrifice one innocent person to save five others; and use an American flag as a cleaning rag.

They were then given a long list of authors who write in specific genres, and asked to note how many of the names they recognized. Those who knew many authors in a specific category (such as horror, mystery/thriller, and romance) were assumed to be regular readers of that genre.

253 Leser sollen eine repräsentative Studie begründen? Spätestens hier würde ich mir wünschen, die Zahlen vorliegen zu haben, um die Irrtumswahrscheinlichkeiten sehen zu können. Aber das finde ich noch nicht einmal so kritikwürdig. Notfalls würden sie damit eben hypothesenbildend arbeiten.

Auch, dass das Nutzen einer Flagge als Putzlappen hier möglicherweise gleichgestellt wird mit der Tötung einer Person um andere zu retten, finde ich zwar ein wenig merkwürdig und würde mir wünschen, zu wissen, ob es unterschiedliche Gewichtungen der ‚Unmoralität‘ einer Handlung gegeben hat. Aber was ich wirklich merkwürdig finde, ist die Einteilung der Leser danach, welchen Autor sie kennen. Das finde ich wissenschaftlich zur Zeit des Internets und eines so möglicherweise größeren Kreises an Quellen, die man konsumiert, bedenklich. Ich kenne nicht ‚den normalen Leser‘, aber gerade wenn sie Probanden über Goodreads rekrutieren, muss ihnen doch klar sein, dass man einige Namen von Autoren auch aus Genres kennt, die man mit der Kneifzange nicht anfasst. Einerseits, weil Freunde und Familie sie lesen (und möglicherweise bei Goodreads eintragen), andererseits durch die jährliche Abstimmung des Goodreads Leserpreises.

The researchers report those who read literary fiction, science fiction, and fantasy were more likely to consider „morally dubious scenarios“ permissible. The opposite was true of regular readers of romance, as well as those who prefer mysteries and thrillers.

Das steht, zumindest bei Mystery (die englische Bezeichnung für Krimi) und Thrillern im Gegensatz zu bisherigen Studien, die andeuteten, dass Gewalt in Medien, auch in Büchern, die Wahrscheinlichkeit erhöht, selbst gewalttätig zu werden.

Aber schauen wir uns an, wie die Forscher ihre Funde erklären wollen:

Perhaps, the researchers write, reading stories „that take place in worlds distantly removed from our own may be associated with a greater willingness or ability to imagine extraordinary circumstances in which the normal rules of morality may not apply.“

In other words, if your mind can stretch far enough to envision alien worlds, there’s a good chance you can also imagine alternate ethical universes.

Das klingt sogar plausibel, nicht wahr? Dass die, die mehr Fantasie beim Lesen aufwenden können und das auch tun, sich eher Situationen und Universen ausmalen können, in denen andere ethische Gesetze gelten? Es erklärt aber nicht, warum sie diese auch auf unsere Welt anwenden würden. Was wiederum die Frage aufwirft, wie die Studie aufgebaut ist. Ist nur gefragt, ob man sich eine Situation vorstellen kann, in der etwas moralisch akzeptabel ist, oder wird konkret Bezug auf unsere Welt genommen? Wird gefragt ‚Würdest du dies oder das tun‘? Für die Deutung wäre das wichtig, ebenso wie genauere Informationen, welche Art von Szenarios die Leser von Fantasy und SciFi als moralisch bedenkenloser ansehen, als die Leser von Romanzen und Krimi.

Denn so, wie der zusammenfassende Artikel klingt, reicht die Spanne ja davon, unpatriotisch zu handeln, in dem man eine Flagge ‚entweiht‘, über Betrug, bis hin zur Opferung eines Menschen für das größere Wohl. Der Artikel stellt also die Leser der entsprechenden Genres eher negativ dar, ohne das genauer zu spezifizieren. Und während die Studie schon vom Aufbau her eher klingt, als wären die Ergebnisse anzuzweifeln, da die Einordnung, wer was liest, hier Fehlerquellen birgt, so wirkt der Artikel, der darauf aufbaut, schon fast populistisch.

If you’re trying to get a sense of someone’s values, there’s no need to enter into a potentially awkward conversation. Rather, just check out the content of their bookshelves.