Vom Leben einer Vielleserin

In den anderen Blogs macht mittlerweile ein Fragebogen die Runde, der unsere Lesegewohnheiten – oder eher die Ursache ebendieser – beleuchten soll. Da ich mit meinen bisher knapp 150 Büchern in diesem Jahr wohl auch zu den Viellesern gehöre, habe ich mich auch einmal daran gemacht.

 

Doch zunächst einmal: Was ist ein Vielleser? Wer liest viel? Und wie viel heißt überhaupt viel?

Nun, da scheiden sich die Geister. Es gibt leider keine offiziellen Studien der letzten Jahre – zumindest keine wissenschaftlichen. Die aktuellen Studien wurden nur von Zeitungen und Meinungsforschungsinstituten durchgeführt und wie oft die daneben liegen, haben wir beim Brexit und der US-Wahl gesehen.

Aber schauen wir sie uns dennoch einmal an.

So hat der Stern 2015 in einer Leserumfrage festgestellt, dass knapp 40 Prozent der Deutschen bis zu 5 Bücher im Jahr lesen. Etwas mehr als ein Viertel liest mehr als 10 – und da endet die Skala bei ihnen auch schon -, während 14 Prozent gar keine Bücher lesen. Frauen lesen mehr als Männer und Leute mit höherem Bildungsabschluss mehr als Leute mit niedrigem Bildungsabschluss.

Das Statistische Bundesamt hingegen bietet eine Übersicht, wer wie oft liest. Demnach liest ein Viertel der Deutschen (annähernd) täglich und ein Viertel immerhin wöchentlich. Aber anhand der Daten lesen 32 Prozent seltener als einmal im Monat.

Eine weitere Umfrage kommt wiederum vom Institut Emnid, zusammengefasst im Tagesspiegel von Oktober 2016.  Zu dem Zeitpunkt hatten 19 Prozent seit Jahresbeginn noch kein einziges Buch gelesen. Auch hier war das Ende der Skala bei mehr als 10 Büchern – das immerhin schafften 28 Prozent. Hier wurden die Lesegewohnheiten auch in Korrelation zur eigenen Positionierung im politischen Spektrum betrachtet. Demnach lesen Anhänger der Linken, Grünen und FDP mehr, CDU und SPD lagen beinahe gleich auf, aber recht weit abgeschlagen. Ganz hinten liegen aber die Rechtskonservativen. Von ihnen haben nur 22 Prozent bis dahin mehr als 10 Bücher gelesen, 26 Prozent aber noch kein einziges.

Das Jahr 2016 hat schließlich wieder das Statistische Bundesamt zusammengefasst:

 

Hier geht die Skala wenigstens etwas weiter. Und immerhin mehr als jeder zehnte Deutsche lesen mehr als 30 Bücher im Jahr – zumindest in 2016. Wobei hier entweder ein Fehler drin ist. Denn bis zu 35 und mehr als 30 überschneiden sich. Daher ist anzunehmen, dass entweder beides 35 oder beides 30 heißen sollte.

 

Definition eines Viellesers? 

Demnach ist ein Vielleser wohl jemand, der mehr als 30/35 Bücher im Jahr liest, sowie täglich oder annähernd täglich ein Buch zur Hand nimmt. Demnach ist eigentlich jeder Mensch, den ich kenne, ein Vielleser?

 

Fragebogen

Nachdem ich nun meine Zugehörigkeit zur Spezies Vielleser bewiesen habe, mache ich mich nun daran, den Fragebogen von Mellis Buchleben auszufüllen.

 

  1. Woher nimmst du die Zeit zum Lesen? Hast du keine Verpflichtungen?
    Um ehrlich zu sein? Nein. Gerade bin ich arbeitslos, davor habe ich nur auf den Termin meiner mündlichen Masterprüfung gewartet, und so hatte ich zumindest in diesem Jahr noch keine wirklichen Verpflichtungen. Gut, ich habe nebenbei 270 Seiten Roman geschrieben, aber wenn man sich die Zeit völlig frei einteilen kann, schränken sich beide Freizeitgestaltungen nicht gegenseitig ein. So ist es eher peinlich, wie wenig ich bisher gelesen habe.
  2.  

  3. Hast du die Bücher in deinem Regal alle gelesen?
    Oh Himmel, nein. Meine Regale sind vor allem mein SUB. Ich meine, ich hab vielleicht 100 Bücher, die ich schon gelesen habe und behalten werde. Aber viele meiner gelesenen Bücher gebe ich bald weiter. Erst – wenn gewollt – an Schwestern und Eltern, und danach an Rebuy oder das offene Bücherregal. Entsprechend findet man bei mir in den Regalen fast nur Ungelesenes.
  4.  

  5. Kannst du dich an alle gelesenen Bücher erinnern?
    In beiden Verständnismöglichkeiten der Frage: Nein.
    Ich kann mich weder daran erinnern, welche Bücher ich alle gelesen habe – und versuche, seit ich Goodreads nutze – verzweifelt mein Leseleben in der Kindergarten- und Grundschulzeit zu rekonstruieren. Noch kann ich mich bei jedem Buch der letzten Jahre an den ganzen Inhalt erinnern. Bei vielen hat sich der Eindruck festgesetzt. Ich weiß noch, ob ich es mochte oder nicht. Aber an ALLE erinner ich mich nicht.
  6.  

  7. Wie kannst du es dir finanziell leisten, so viel zu lesen?
    Rebuy, offenes Bücherregal und Weihnachten und Geburtstag. Ich kaufe nur Lieblingsautoren zum Vollpreis. Naja, vielleicht nicht NUR. Aber bei allen anderen ist es eher ein Unfall, wenn ich sie im Laden sehe und dann unbedingt gleich haben muss. Ansonsten versuche ich lieber, Mängelexemplaren und anderen ungeliebten Büchern ein neues Zuhause zu geben.
  8.  

  9. Brichst du Bücher ab? Hast du dann nicht Angst, etwas zu verpassen?
    Seit diesem Jahr tu ich das, ja. Ich komm mir dabei immer noch schäbig vor, muss ich gestehen. Wie eine Versagerin. Und ärger mich – ich finde, abgebrochene Bücher darf man nicht rezensieren. Aber wenn ich einfach nicht weiter komme, egal, wie sehr ich es versuche? Oder ein Buch mich einfach zu Tode langweilt? Was soll man machen?
  10.  

  11. Liest du Bücher quer?
    Stellenweise. Sexszenen überspringe ich eigentlich immer. Die nerven mich nur. Und dann kommt es auf den sonstigen Inhalt an. Aber ganze Bücher querlesen tu ich nicht. Wirklich nur Szenen, die mich nicht packen können.
  12.  

  13. Liest du kurze Bücher nur wegen der Statistik?
    Puh, das habe ich 2015 gemacht. Als mir noch 1-2 Bücher zum Goodreads-Jahresziel fehlten und es schon Ende Dezember war. Da habe ich bewusst Kürzere rausgesucht. Aber generell mag ich kürzere Bücher auch einfach lieber. Ein Buch, das über 300 Seiten hat, kann mir nicht erzählen, es wäre nicht voll von unnötigem Ballast. Ich tu mich eher schwer damit, sie überhaupt anzufangen und sie sind wohl diejenigen, die am Längsten auf meinem SUB verweilen. Leute, schreibt endlich kürzere Bücher. Auch Epen kann man doch wohl in 250 Seiten erzählen!
  14.  

  15. Üben die Challenges, an denen du teilnimmst, keinen Druck auf dich aus?
    Oh doch, und deshalb pass ich jetzt sehr genau auf, welche Challenge ich mache. Die weltweit wohl berühmteste Challenge von Popsugar werd ich, zum Beispiel, nie wieder in Angriff nehmen. Sorry, aber ich kann Bücher nicht danach lesen, aus welchem Land der Autor kommt oder ob er schwul ist – woher soll ich das auch wissen? Soll ich erst dutzende Autoren anschreiben, die ich gerne lese, und sie fragen, mit wem sie schlafen und wen sie lieben? Und auch, ob ein Charakter schwul ist, weiß ich doch erst am Ende des Buches. Danach such ich es mir nicht aus. Das kann ich einfach nicht.
    Aber Challenges, wo es nicht ums Gewinnen geht, sondern zum Beispiel ums Sammeln von Punkten, oder nur darum, so viel wie möglich zu lesen, mit denen komm ich klar.
  16.  

  17. Ist Lesen ein Wettbewerb?
    Irgendwie schon. Aber nicht ein Wettbewerb, bei dem man gegen andere antritt. Vielmehr kämpft man gegen den inneren Schweinehund (ich will lieber schlafen; aber es läuft doch grad XYZ im Fernsehen), mit dem eigenen Hirn (irgendwie versteh ich das Buch nicht), und mit sich selbst aus dem letzten Jahr (kann ich mir die Zeit noch effizienter einteilen, ohne den Spaß zu verlieren?).
  18.  

  19. Hast du keine anderen Hobbys?
    Öhm … nein. Ehrlich gesagt nicht. Ich meine, ich schreibe selbst Geschichten, aber das tu ich nur, weil kein anderer schreibt, was ich gern lesen möchte. Aber all meine anderen Hobbies habe ich über die Jahre verloren. Im RPG wurde ich zu oft hängen gelassen, das bringt mehr Frust, als dass es Spaß macht. Fußball? Felix Magath hat meinen VfL kaputt gemacht. (Sorry, ich kann keine Söldnertruppe anfeuern. Ich muss eine Mannschaft kennen. Erst, wenn die Spieler mich auch auf der Straße erkennen und mit mir einen Plausch halten, DANN kann ich sie guten Gewissens anfeuern. Und das hatte ich mit dem alten VfL, bis Magath alle Spieler verkaufte, mit denen mich eine Bekanntschaft verband.) Und auch mein Lieblingsopernsänger wurde nicht verlängert und singt mittlerweile wohl gar nicht mehr. Theaterspielen kann ich auch nicht mehr, mangels AG, und Fernsehen ist ja wohl kein Hobby. Also habe ich nichts als lesen.
  20.  

Tja, und so wurde ich zum Vielleser. Und ich glaube, wenn ich mir die Zahlen zu Deutschland so anschaue, bin ich da fast ein wenig ZU stolz drauf. Aber irgendwer muss ja für einen ordentlichen Durchschnitt kämpfen, oder?

5 Gedanken zu „Vom Leben einer Vielleserin“

  1. Ich finde auch krass, wie stark die Blogger allgemein über dem „Durchschnittsleser“ stehen. Früher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht, wie viel oder wenig andere lesen, aber diese Unterschiede sind schon krass. Mit dir kann ich da zahlenmäßig nicht mithalten, aber an die 100 Bücher komme ich im Schnitt schon am Ende des Jahres und erst dann wird mir klar, wie krass das für andere Leute klingen muss.
    Die Frage, ob man nichts besseres zu tun hat, finde ich aber bescheuert, schließlich hat jeder ein gewisses Maß an Freizeit, egal ob nun mit oder ohne Vollzeitjob und wie man sich die einteilt, ist jedem selbst überlassen. Manche setzen sich eben abends die 4 Stunden vor den Fernseher und andere lesen in der Zeit ein Buch. Ich finde es völlig unsinnig, dass Lesen als so zeitintensiv angesehen wird, dass man sich dafür am besten extra Urlaub nehmen müsste.
    Die Geldfrage ist auch sehr beliebt und die kommt dann auch gerne von Leuten, die ihr Geld einfach nur für etwas anderes ausgeben. Immer alles eine Frage der Prioritäten. Neue Bücher sind aber echt verdammt teuer, darum kaufe ich auch kaum zum Neupreis. Aber wie du schon sagst gibt es da ja genug Alternativen.

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  2. HI du
    oh Arbeitslos, da hast du noch mehr Hoffnungen als ich mit meiner EU Rente wegen dem doofen Krankheiten die mich anfielen. Aber ich mag nicht meckern, bin ja froh wie das jetzt ist :). Und ohne das ich von diesen Fragebogen etwas wusste, hab ich auch einen Beitrag zum Viel-Lesen geschrieben und auch zum Parallellesen, weil ich beides gerne und viel mache. Es sind bei mir erst 141 Bücher, die ich gelesen habe :).
    Ich finde übrigens deine Statistik die du mit eingebastelt hast, echt toll.

    Sei lieb gegrüßt
    Nicole

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  3. Hy,

    ich bin auch eine Vielleserin und ich werde auch immer wieder bestaunt angeschaunt, wie ich das schaffe. Bis jetzt habe ich 136 Bücher gelesen. Ich finde deinen Beitrag sehr interessant und die Statistik, ist ja der Hammer.

    lg backmausi81

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  4. Ich bin immer ein bisschen genervt bei der Frage, ob man nichts Besseres zu tun hätte bzw. woher man soviel Zeit zum Lesen nimmt. Wenn jemand jeden Abend stundenlang vor der Glotze sitzt, fragt ja auch niemand, woher diese Zeit dafür kommt oder wenn jemand 5 x die Woche ins Fitnessstudio geht etc. Das ist eben das Hobby, für das man seine Freizeit hernimmt – und auch als Berufstätige hat man doch welche. Wenn ich mich entscheiden müsste, zwischen Fernsehprogramm und einem Buch, müsste ich nicht lange überlegen!

    Witzig, dass die eine Skala schon bei mehr als 10 Büchern endete 🙂 Das wäre für mich ungefähr passend für einen Monat, nicht für ein Jahr. Okay, da sind auch kürzere Bücher dabei oder auch mal Kurzgeschichten, aber geschätzte 80 bis 100 Romane lese ich doch im Jahr. Und das qualifiziert mich offensichtlich nach allen Skalen zur Vielleserin 🙂

    Deine Antworten auf den Fragebogen finde ich durchweg sehr sympathisch und ich kann auch alles für mich unterschreiben (bis auf Fußball, das hat mich nie interessiert 😉 )

    Liebe #litnetzwerk-Grüße von
    Gabi

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  5. Oha, … und da hab ich mich schlecht gefühlt, als ich Ende letzten Jahres nur auf 40 Bücher gekommen bin. Anscheinend ist das wohl nur in Bloggerkreisen als wenig zu erachten. Es ist interessant da mal genauer drüber nachzudenken. Vielen Dank für den tollen Artikel!

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