Lena Gorelik – Lieber Mischa

Lieber Mischa (...der du fast Schlomo Adolf Grinblum geheissen hättest, es tut mir so leid, dass ich dir das nicht ersparen konnte: Du bist ein Jude)Buchdetails

  • Erinnert an: //
  • Genre: Ein bisschen Biografie, ein bisschen Sachbuch, irgendwie auch ein Brief (ohne -roman) und sehr viel Humor
  • Erscheinungsdatum: 2012
  • Verlag: List Taschenbuch
  • ISBN: 978-3-548-61105-1
  • Taschenbuch 192 Seiten
  • Sprache: Deutsch

Klappentext: 

Klar sind Juden gerissen, meint Lena Gorelik, sonst hätten sie nicht überlebt. Hier erzählt sie, wie man entspannt mit den üblichen Klischees umgeht. Denn für sie ist jüdische Identität längst nicht mehr nur an den Holocaust gekoppelt. Und so erklärt sie es auch ihrem kleinen Sohn Mischa.

Inhalt: 

Lena Gorelik schreibt ein Buch an ihren zu dem Zeitpunkt einjährigen Sohn, in Briefform. Schreibt ihm auf, wie es für sie ist, Jüdin zu sein, geht dabei spielerisch mit Klischees um, geht aber auch auf Themen wie Holocaust, Antisemitismus, aber auch Philosemitismus ein. Sie nimmt die jüdischen Feiertage aufs Korn, und wird teilweise regelrecht blasphemisch, schreibt dabei aber gleichzeitig mit viel Liebe zur jüdischen Kultur und erklärt dabei nicht nur ihrem Sohn, sondern auch gleich dem Leser, was es mit der jüdischen Seele auf sich hat.

 

Aufbau:

Die einzelnen Kapitel sind zwar einem Überthema zugeordnet, werden aber teilweise durch die – O-Ton Autorin! – „Unart abzuschweifen und – meist recht unelegant […] – zu den Ursprungsthemen zurückzukehren“ durchbrochen. Da diese Exkurse aber genauso flüssig und amüsant lesbar sind, fällt es nicht übel auf.

Was noch von der Norm abweicht ist die Form, dass der Fließtext am Rand oft durch Kommentare der Autorin (und ihrer Familie) ergänzt wird. Aber auch die sind eher amüsant als störend.

Meinung:
Schon vor Jahren hab ich dieses Buch einmal gelesen. Jetzt habe ich es mir endlich selbst gekauft. Und auch nach Jahren liebe ich es noch.

Allerdings habe ich auch gemerkt, dass ich an manche Themen anders herangehe als noch am Anfang meines Studiums. An manchen Stellen möchte ich ‚Ja, aber…‘ sagen. Kann ihren Standpunkt verstehen, habe mittlerweile aber auch gelernt, dass das, was ihr übel aufstößt, aber dennoch etwas Berechtigung hat.  So vor allem bei einem kleinen Absatz darüber, dass eine Mutter ihr in einer Radio-Anrufsendung erzählt, sie würde sich auch jüdische Freunde für ihr Kind wünschen, damit es ohne Vorurteile aufwachsen kann. Natürlich kann ich verstehen, dass man nicht will, dass das eigene Kind nur Mittel zum Zweck wird. Oder, dass man wie ein Zootier betrachtet wird, wenn die Leute lernen wollen. Gleichzeitig zeigt sich heute, dass Leute, die mit verschiedenen Ethnien und Religionen aufwachsen, tatsächlich seltener fremdenfeindlich sind. Der Rechtsextremismus und die Pegidaanänger sind heute da besonders oft zu finden, wo Leute keine Muslime, keine ‚Ausländer‘ kennen, weswegen sie ihre irrationalen Ängste nie hinterfragen mussten. Gleichzeitig hört man oft von Aussteigern, die sagen ‚Wenn man sie erstmal kennt, kann man sie nicht hassen‘.

Daher … stehe ich dem Buch heute zwar mit genauso viel Liebe, aber dennoch in einzelnen Absätzen mit einem Stirnrunzeln gegenüber. Aber das ist gut so. Denn das ruft einem wieder in Erinnerung, dass hinter all dem Bestreben, die rechten Hohlköpfe aus ihrer Blase zu holen, auch Menschen stehen, Schicksale. Nicht Bücher, keine Spielzeuge, nichts, was man für den eigenen Zweck nutzen kann, selbst wenn dieser darin besteht, eine tolerante Gesellschaft zu erreichen. Dass hinter all dem ‚Wenn die Leute in der Provinz früher Moslems gesehen und mit ihnen gelebt hätten, gäbe es heute kein Pegida, keine AfD‘ die Moslems stehen, denen dann vielleicht dennoch Hass und Vorurteile entgegengeschlagen wären. Und ebenso ist es mit Antisemitismus und Juden. (Und ich hoffe SO sehr, ihr versteht gerade meinen Gedankengang.)

Aber das ist nur ein Einzelbeispiel. Über die längste Strecke ist das Buch einfach eine lesenswerte, lustige Einführung in die jüdische Kultur, und eine schräge Liebeserklärung an das Judentum.

Dabei ist besonders schön, wie Gorelik auch selbstkritisch, aber eben auch da mit viel Humor, mit sich umgeht. Erklärt, dass ihr Sohn eines Tages heiraten kann, wen er will, auch eine Goi. Dass sie keine klassische jüdische Mutter werden will. Und, dass es da doch immer ein ‚aber‘ gibt.

Diesem Buch gerecht zu werden, ist dabei nicht möglich. Aber wer jüdischen Humor mag, oder auch nur gerne mal einen Einblick in diese Religion erhaschen will, der von einem ‚Insider‘ gegeben wird, dem möchte ich es empfehlen. Für mich gehört es klar zu den Lieblingsbüchern.

 

Fazit: 

Frech, aber auch einfühlsam und selbst dann gegen Vorurteile ankämpfend, wenn Gorelik schreibt, dass sie stimmen würden.

 

Meinungen anderer Blogger: 

 

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