Wo ist der Feminismus in Frauenromanen?

Eine Sache, die ich mich schon lange frage: Warum schreiben Männer oft bessere Frauenfiguren in Romanzen als Frauen selbst? Wieso tun wir Frauen dort genau das, was wir Männern immer vorwerfen?


Wir werfen Männern oft als komplette Gruppe vor, sie würden alle Frauen über einen Kamm scheren, wären sexistisch und würden in den Medien nur dumme, aber großbusige Blondchen kreieren. Und in manchen Branchen trifft das ja zum Teil noch zu. All die Sammelkartenspiele fürs Handy bestehen aus angeblich starken, kriegerischen Frauen, die aber nur Brustwarze und Schambereich mit ‚Panzern‘ schützen und sonst am ganzen Körper nackte Haut zeigen. Nicht, dass eine Frau nicht das Recht hat, so herumzulaufen. Aber in diesen von Männern programmierten Spielen, wird da doch nicht etwa das Recht auf Selbstbestimmung propagiert, sondern sie wollen damit nur männliche Spieler anlocken.
(Als weiblicher Spieler stelle ich dann oft fest, dass dabei nicht mal gleichberechtigt gearbeitet wird. Die männlichen Charaktere sind nicht etwa halbnackte, dem aktuellen Schönheitsideal auch nur nahe kommende Muskelmänner, sondern oft entweder alte, bärtige Käuze, oder vermenschlichte Raubtiere, wie mit Shorts auf zwei Beinen herumlaufende Säbelzahntiger. Nicht, dass ich die Muskelmänner schön fände, meinen persönlichen Geschmack trifft das nicht, aber auch nicht jeder Mann steht auf Atombusen. Wenn man aber schon ein Geschlecht sexualisiert, sollte man es doch bitte auch mit dem anderen machen. Gleichzeitig. Nicht als Retourkutsche dann in einem anderen Spiel. Doch zurück zum Thema Buch, dies hier ist ja ein Buchblog.)

Aber dann schreiben wir Romane für uns selbst und wie gestalten wir die Protagonistinnen? Von ihrem Aussehen besessen (meist halten sie sich für zu dick), lieben Klamotten und kaufen gern Schuhe und denken und reden über nichts anderes als Kerle, sind aber zu keinem halbwegs tiefgründigen Gedanken in der Lage.
Wir schreiben unsere eigenen Rollen genau so, wie wir es den Männern immer vorwerfen. Und dadurch, dass die Leute das Lesen und sich damit identifizieren, geben wir diese an die nächste Generation weiter. Wir rekonstruieren damit immer wieder das Frauenbild, gegen das sich unsere Mütter schon seit den 60ern auflehnen und gegen das wir selbst auch kämpfen.

Scheinbar glauben wir selbst, dass unsere Frauenfiguren schon emanzipiert sind, wenn sie nur arbeiten gehen, obwohl sie es nicht müssten, um die Familie zu ernähren.

Und das sind keine Bücher, die von Männern geschrieben werden. Das schreiben wir Frauen uns oft selbst auf den Leib. Dieses Sex and the City-Klischee von Frauen, die lieber ein dreihundertstes Paar Schuhe kauft, als was für ihr Hirn zu tun.

Bitte versteht mich nicht falsch. Jeder darf mögen, was er möchte und leben, wie er es möchte. Wenn sich eine Frau in einer emanzipierten Gesellschaft dazu entscheidet, Mode zu designen, weil sie Kleidung eben mag, ist das okay. Es macht sie nicht zwangsläufig zu einem oberflächlichen Charakter.
Und wenn eine Frau sich gegen Karriere und für Kinder und Haushalt entscheidet, nicht aus Druck von Arbeitswelt, Freundeskreis und Mann heraus, sondern, weil ihr das einfach wichtiger ist, dann ist das auch in Ordnung. IHR Recht.
Wenn eine Frau zuhause bleiben möchte, weil der Mann genug Geld verdient und ihr die Arbeit nicht wichtig ist, sie nicht erfüllt, kann sie immer noch emanzipiert sein.

Und Herrgottnocheins, wenn man es wirklich toll findet, wenn ein Mann sich wie ein Mistkerl verhält, einen stalkt und diverse andere Verbrechen an einem begeht, wie es aktuell oft in Bestsellern zu finden ist, dann bitte. Möge die Frau damit glücklich werden. Aber jede normale Person würde das zumindest kurz kritisch reflektieren, warum dann die Romane nicht?

Es geht mir nicht darum, dass eine Frau gar nicht über Männer, Mode und Kinder nachdenken darf. Ich gehör selbst zu dem Typ Frau, der es nicht tragisch fände, eines Tages nicht mehr zu arbeiten. (Gut, aus Arbeitslosigkeit tu ich es ja jetzt schon nicht.) Es geht mir nicht darum, dass jetzt jede Frau vom alten Zwangskorsett des Hausmütterchens in das der Kampfemanze getrieben werden soll.

Mir geht es viel mehr darum, dass in den vor allem für Frauen geschriebenen Romanen immer die gleichen Klischees vorherrschen und damit nur ein Weltbild gezeigt wird. In Romanzen muss eine Frau natürlich generell ein gewisses Interesse an einer Partnerschaft mit Männlein oder Weiblein haben, das ist eine Sache, die man nicht völlig umgehen kann. Aber muss das immer als der Lebenssinn schlechthin dargestellt werden? Und darf die Frau nicht einfach nebenbei ein bisschen Tiefgang haben? Ist ab und an ein Gedanke, der über Körpermaße und Kleidungskäufe hinausgeht, wirklich so schlimm?

Seltsamerweise schaffen die wenigen männlichen Schnulzen-Schreiberlinge das sehr wohl. Sie kreieren jetzt auch nicht die Powerfrau, die alles mit einer Hand stemmt, und Männer nur nebenbei mal kurz vernascht. Ich persönlich würde das auch nicht lesen wollen. Aber sie gehen mehr auf das Innere ein, scheuen nicht davor, auch in einem so seichten Genre wie der Romantik die Psyche ins Spiel zu bringen und die Protagonisten, männlich wie weiblich, diese erforschen zu lassen.

Natürlich ist das jetzt sehr pauschal ausgedrückt. Es gibt auch – teils sogar sehr erfolgreiche – Autorinnen, die in ihren Romanzen glaubhafte Frauenfiguren schreiben, die eben nicht jedes Klischee erfüllen. Es gibt die, die Tiefgang mit reinbringen. Und bestimmt gibt es selbst im Romantikgenre Männer, die Frauen auch nur zumindest anhand von Klischees aufbauen.

Aber leider fallen ständig wieder Autorinnen in die Hände, die weltweit gehypt werden, aber Bücher schreiben, die einzeln eben nicht wirklich gut und realistisch sind, in der Masse aber letztlich dazu beitragen, Frauen wieder sehr einseitig darzustellen und ihnen damit selbst einzureden, sie müssten so sein, weil das die ihnen vorbestimmte Rolle sei.
Wir Frauen dürfen nicht gleichzeitig kritisieren, dass Politiker, Medien und unsere Partner uns noch im klassischen Rollenbild sehen oder uns objektivieren, uns alle mit einander gleichsetzen, und dann genau das gleiche betreiben. Wir müssen selbst erstmal anfangen, zu zeigen, dass es zwar Frauen gibt, die dem freiwillig und bewusst entsprechen, dass wir aber so viel verschiedener sind. Dass eigentlich keine von uns wie die andere ist und das okay ist. Und wo sollten wir das besser machen können, als im Umgang mit uns selbst? Wenn wir uns Geschichten erzählen und einander die Möglichkeit geben wollen, uns wegzuträumen. Wir brauchen doch erstmal das Wissen, dass wir anders sein dürfen, um entscheiden zu können, ob wir das auch wollen.

4 Gedanken zu „Wo ist der Feminismus in Frauenromanen?“

  1. Ich finde es auch krass, dass diese Stereotypen und Klischees gerade in Büchern vorkommen, die von Frauen geschrieben werden. Einem Mann würde man da vermutlich schnell Sexismus vorwerfen, aber so scheint es kaum jemanden zu stören.
    Genau wie ich es extrem kritisch finde, dass auch Frauen es sind, die so oft von ungesunden Beziehungen schreiben und sie als erstrebenswert darstellen. Im echten Leben will das niemand, wieso also in Romanen hypen?

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    • Eine sehr gute Frage, für die ich leider keine Antwort habe. Aber ich finde es schade, dass das viel zu wenig offen diskutiert wird. Und vor allem nur von uns Lesern. Warum nicht von Psychologen, Genderwissenschaftlern, … Denjenigen, die sich die Muster dahinter anschauen können und es zumindest verständlich machen können, warum wir Frauen uns in Romanen selbst so … degradieren? Vielleicht nicht ganz das richtige Wort, aber mir fällt kein besseres ein.

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  2. Hallo Taaya,
    ein Beitrag, den ich sehr interessiert gelesen habe. Du gehst vor allem auf das Romantik-Genre ein. Ein Genre, das ich selten lese, weil es meistens so ist, wie du zurecht kritisiert. Spannend fand ich deine Beobachtung, dass die wenigen männlichen „Schnulzen-Schreiber“ glaubhaftere Frauenfiguren hinbekommen. Ich hab auch schon gehört, dass das sogenannte YA nochmal schlimmer sein soll, mit diesem „Mißbrauchshype“.
    Auch außerhalb des Genres hab ich schon oft beobachtet, dass Männer sehr gute weibliche Protagonisten schreiben, wenn sie denn welche haben.
    In der letzten Zeit fehlen mir die guten weiblichen Protagonisten. Die letzten Romane hatten gar keine und in dem, was ich grad lese, beschränkt sich die weibliche Protagonisten darauf, sexy Lederkleidung anzuhaben.
    Liebe Grüße
    Daniela v. Buchvogel

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