Wie ihr ja vielleicht wisst, arbeite ich freiberuflich für den Verlag ohneohren, unter anderem auch im Buchmarketing. Um da vielleicht noch besser zu werden, neue Ideen zu kriegen, und nicht vor Betriebsdösigkeit Dinge aus den Augen zu verlieren, versuche ich privat immer wieder, mich etwas weiterzubilden und neue Inspirationen zu bekommen. So auch mit diesem Buch. Leider hat das nicht geklappt.
Für meinen größten Kritikpunkt kann die Autorin nichts. Aber heute, 7 Jahre später, ist das Buch so veraltet, dass es eigentlich überarbeitet oder eingemottet gehört.
Facebook ist schon lange nur noch der Ort von Rentnern und rechten Hetzern. (Leider ist die Buchbubble aber so im Umbruch, dass gerade nicht abzusehen ist, was als neue Stammplattform sinnvoll wäre. Musk musste ja unbedingt Twitter zerstören, was seit 2016/17 eigentlich DIE Plattform für die deutsche Lesenden und Schreibenden war.)
Viele der angegebenen Seiten existieren nicht mehr, Tools und Plugins sind seit 2018 teils illegal (dank DSGVO),… Und Blogtouren werden seit Jahren nicht mehr gemacht – Himmel, es gibt auch kaum noch Blogs, leider. Und mit jedem Mal, dass ich die Liste durchgehe, fallen weitere 10 Prozent raus, weil sie inaktiv geworden sind.
Mein zweiter Kritikpunkt ist vielleicht auch der Zeit geschuldet. 2016 hatte man vielleicht noch nicht die Sensibilität, zu wissen, dass Mantras wie „Ihr müsst Geld in Cover und Lektorat investieren“ Teil von rassistischem, klassistischem und ableistischem Gatekeeping sind. Natürlich funktioniert es damit immer noch am Besten! Natürlich ist es TOLL, wenn man ein Buch so zum tollsten Werk machen kann, das möglich ist. Aber wenn man Leuten einredet, dass sie NUR dann veröffentlichen dürfen, fehlen dem Markt die marginalisierten Stimmen, und das muss zumindest bei den Tipps kritisch angemerkt werden. Aber wie gesagt, vielleicht waren Privilegierte 2016 einfach noch nicht so weit, das zu verstehen. Zum Glück ändert sich das langsam.
Mein letzter Punkt aber ist unabhängig von der Zeit: Das Buch verspricht am Anfang, kein weiterer Ratgeber zu sein, der einen nur oberflächlich belehrt. Es wurde ein Arbeitsbuch versprochen. Das wird aber absolut nicht gehalten. Oh, an manchen Stellen schon. Wie man hier oder da einen Account anlegt, DA weist das Buch dann tatsächlich eine richtige, schrittweise Übersicht auf.
Ansonsten sind es vor allem Sätze, die für Menschen, die nicht beruflich Marketing betreiben (und sogar für die, die es tun, wie mich), bedeutungsleere Worthülsen bleiben. Klar, Plattitüden, die wir alle schon hundert Mal gehört haben und selbst gern von uns geben. Aber weiß wirklich jemand, was der eigene Unique Selling Point ist? Und kann ihn dann sogar noch in Worte fassen? Ich könnte das nicht mal für Terry Pratchett (einer der wenigen Autoren, die WIRKLICH einzigartig sind, 99% sind das nicht).
Und noch etwas stößt mir übel auf: Das Buch scheint sich nur an Menschen zu orientieren, die nicht nur reich sind, sondern auch weder Brotjob, noch Partner, Kinder, Freunde, Hobbies oder eine spoons-einschränkende Erkrankung haben. Denn viele Tipps gehen in Richtung „Neben dem Schreiben bitte noch 24/7 networken“.
Oh, und als Leserin: Bitte nicht auf die Tipps zum Klappentext hören. Gebt mir lieber vernünftige Tags wie auf Archive of our own. Dass das immer noch nicht über die Indie-Szene hinaus bekannt ist, dass viele Lesenden sich eher sowas wünschen, erschüttert mich.
Aber ja, zumindest kann man über das Buch sagen, dass es viele Bereiche abdeckt. So oberflächlich, dass man sich dennoch alles selbst erarbeiten muss (welche Möglichkeiten von Aktionen gibt es, wie stelle ich Grafiken zusammen,…), aber für Leute, die noch keinerlei Berührungspunkte mit dem Thema hatten, ist es vielleicht eine gute Übersicht, in welche Bereichen sie sich tiefer einlesen müssen.
Für mich, die nach neuen Ideen gesucht hat, ihren Job vielleicht NOCH besser zu machen, oder, ob es vielleicht noch Ecken des Internets gibt, wo man noch Lesende finden könnte, die mir bisher unbekannt waren, war das Buch aber leider keine Hilfe. Nur eben enttäuschend, dass etwas doch so veraltetes noch unüberarbeitet verkauft wird.