[Kurzrezension] Jule Müller – Früher war ich unentschlossen, jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher

Früher war ich unentschlossen, jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher: Wie ich meine Zwanziger überlebteDies war eines meiner ’50 Seiten anlesen‘-Bücher, das ich allerdings nur schwer aus der Hand legen konnte. Einerseits, weil es mich schon ein wenig beschämt, wie viele Bücher ich in letzter Zeit abgebrochen habe, andererseits aber auch, weil es eine Art perversen Reiz auf mich ausgeübt hat.

Denn dieses Buch ist quasi der RTL2-Nachmittag in Papierform. Eine lächerlich wirkende Mischung aus Jugendsprache und Denglisch, von denen man immer meint, dass keiner wirklich so reden und erst recht nicht schreiben würde. Dazu Drogen, Alkoholexzesse und Sex.

Die ersten 150 Seiten waren also pures Fremdschämen, eine Art Guilty Pleasure – und ich entschuldige mich, dass auch ich jetzt auf Denglisch zurückgreifen muss. 150 Seiten in denen der Anfang der Zwanziger beschrieben wird.

Es war nicht wirklich unterhaltsam, nicht wirklich interessant, aber auch nicht aus der Hand zu legen. Nur leider ging das Ganze so weiter, auf noch einmal etwa 150 Seiten, die ganz genau das Gleiche beschreiben, nur schon im Alter auf die 30 zugehend. Insgesamt knapp 300 Seiten, in denen Qualifikation, richtige Jobsuche, oder Erwachsenwerden (sollte man das am Anfang der Zwanziger nicht sogar schon hinter sich haben) eigentlich keine Rolle spielen. Politische Gedanken? Auch quasi Fehlanzeige. Der schöne alte Spruch, dass jemand, der mit 20 kein Kommunist ist, kein Herz hat? Tja, wenn jemand sich weigert, Nachrichten oder Zeitungen zu konsumieren, kann er auch nichts vom Weltgeschehen mitbekommen.

So verkommt das Buch zu dem Klischee, wie die Welt meine Generation sieht: Dumm (weil der Welt gegenüber ignorant), egozentrisch, nur am Saufen und auf der Suche nach dem nächsten Penis. Mit mehr Glück als Verstand von einer Stadt und einem Job in die/den nächste(n) stolpernd. Oberflächlich und einfach nur laut und peinlich.

Gegen Ende, als die Autorin dann die 30 erreicht hatte, fühlte ich mich ehrlich gesagt einfach nur beleidigt. Einerseits beschreibt sie nicht wirklich, wie sie die Zwanziger überlebt hat. ÜBERlebensstrategien sind nicht enthalten, sondern nur ERlebnisse. Andererseits verallgemeinert sie im letzten Kapitel aber auch ihre Person auf unsere ganze Generation. Und ich will mit so etwas nicht über einen Kamm geschert werden. Das sind die Menschen, für die ich mich schon geschämt habe, als ich gerade mal 18 wurde und gegen deren rufverderbende Exzesse ich mein ganzes Studium anargumentiert hatte.

Entsprechend subjektiv ist meine Meinung auch. Ich fühle mich zuerst vom Buch getäuscht – weil nicht im Geringsten hilfreich – dann beleidigt. Und es macht mich wütend. Wütend, dass jemand auch mit 30 nicht reflektiert genug ist, um reif auf diese Eskapaden zurück zu blicken, sondern sie auch noch irgendwie feiert. Solche Bücher machen mich immer wieder zu einem Misanthropen. Und leider kann ich nicht anders, als ihm nur einen Stern zu geben.

ABER – der einzig positive Punkt – es ist nicht langweilig. Man macht jede Menge Emotionen durch. Ekel, Scham, Hass, Wut und fassungsloses Kopfschütteln. Ich muss zugeben, dass mir das immer noch lieber ist, als mich nur zu langweilen.

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