In den letzten 12 Monaten habe ich relativ viele Ebooks, darunter auch viele Selfpublisher, gelesen, da ich einige Probe-Abos von Flatrates hatte und für #WirLesenFrauen auch außerhalb meines Beuteschemas las. Außerdem, weil ich zwar einen sehr großen SUB habe, der aber leider nicht immer ein Buch für jede einzelne Stimmung bietet.
Dadurch, und auch durch meine eigene Situation – mit zwei abgeschlossenen Romanen und mehreren Kinderbüchern in der Hinterhand, die aber noch nicht das Licht der Welt erblickt haben -, komme ich immer weniger umhin, mir so meine Gedanken über die Lage in diesem Bereich des Buchmarktes zu machen. Und meine Gefühle diesbezüglich sind ziemlich ambivalent.
Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass das hier lediglich meine Meinung ist, und die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat. Wie man vielleicht im Laufe des Beitrags merken wird, bin ich auch selbst nicht völlig gefestigt in meiner Meinung, vor allem, da ich mir nicht sicher bin, wie man was besser machen könnte.
Selfpublishing im groben Überblick
Aktuell ist es so, dass jemand, der gerne ein Buch veröffentlichen möchte, verschiedene Wege zur Auswahl hat. Ich bin kein Experte für auch nur einen von diesen Wegen, daher kann ich sie nur grob anreißen:
- Die Suche nach einer Agentur, die einen dann an Verlage vermittelt.
- Das Anschreiben an Verlage.
- Das Selfpublishing.
Wobei es auch SP-Plattformen gibt, die wiederum mit Scouts von Verlagen zusammenarbeiten, man also auch über Selfpublishing teilweise noch einen Verlagsvertrag bekommen kann.
Nun bieten Verlage einige Vorteile. Sie bezahlen das Korrektorat, das Lektorat, den Buchsatz, das Cover, … Nichts davon muss der/die Autor*in selbst bezahlen. Im besten Fall ist sogar noch ein wenig Marketing für das Buch dabei. Entsprechend nehmen Verlage natürlich fast nur Bücher an, bei denen sich ablesen lässt, dass sie einem breiten Markt gefallen werden, denn sonst würde man das Geld ja nicht wieder reinkriegen können. Als Unternehmen könnten sie sich schlicht nicht leisten, Bücher zu verlegen, bei denen sie nicht die Hoffnung haben, dass die mindestens die Investitionen wieder einspielen werden. Was erklärt, warum der Massenmarkt aktuell – zumindest in meinen Augen – ziemlich einseitig ist. Bücher für meinen persönlichen Geschmack werden kaum verlegt. Erst recht nicht, weil ich auch einen anderen Stil bevorzuge.
Aber dafür gibt es die Selfpublisher, richtig? Hier hat Professionalisierung in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass man sehr oft Bücher findet, die ebenfalls Korrektorat, Lektorat und Buchsatz durch externe Dienstleister durchlaufen haben. Die ein professionelles, gekauftes Cover haben, das mit jedem Verlagsbuch mithalten kann. Und dann gibt es sie auch meist noch für 99 Cent. Total toll, oder?
Wirtschaftlichkeit und Gate-Keeping
Nein, gar nicht toll. Denn hier kommen zwei Probleme ins Spiel. Zuerst einmal das Gate-Keeping. Dadurch, dass sich die Selfpublishingbranche professionalisiert hat, haben wir hohe Erwartungen an die selbstverlegten Bücher. Sie sollen gefälligst Büchern aus großen Verlagen in Qualität mindestens gleich sein.
Das bedeutet aber, dass Schreibende, die das erreichen wollen, massiv in Vorkasse gehen müssen. Katrin Ils hat es mal durchgerechnet und kommt pro Buch auf etwa 3.000 Euro, die man schon auf der hohen Kante haben muss, um ein Buch professionell rausbringen zu können. Sofern man nicht unglaublich Glück hat und … vielleicht die Mutter Verlagslektorin ist, die einem das umsonst macht (Hm, Mutter könnte da aber durch Welpenbonus schon etwas kritisch sein), Partner*in Grafikdesign studiert hat und einem das Cover zum Geburtstag schenkt und man selbst sich vielleicht mit harter Arbeit in Buchsatz reingefuchst hat. Und selbst dann könnten immer noch Kosten für Korrektorat und Ähnliches entstehen.
Rechnen wir mal durch. Spaßeshalber ohne Steuern. Viele SP-Ebooks kosten nur 99 Cent. Je nach Anbieter kriegt der Autor davon 30-70%. Das macht pro Buch maximal 70 Cent, wie gesagt, vor Steuern. Damit müsste man etwa 4.300 Bücher verkaufen, bevor man auch nur die Auslagen wieder drin hat. Ein Lohn für die eigene Arbeitszeit oder Rücklagen für das nächste Buch (denn eigentlich soll man ja mindestens zwei pro Jahr veröffentlichen, um nicht in der Versenkung zu verschwinden) sind da noch nicht drin. Dabei starten selbst Verlagsbücher gerne mal mit kleineren Auflagen. (Und intern hörte ich gerade, tatsächlich während der Recherche für diesen Beitrag, dass nur die wenigsten Bücher zumindest aus kleinen Verlagen, sich auch nur dreistellig verkaufen.) 4.300 Leser zu finden, klingt also bei einer Einwohnerzahl von 83 Millionen alleine in Deutschland recht leicht – ist es aber definitiv nicht.
Und dennoch erwarten wir, dass SP-Bücher für einen so günstigen Preis den selben Anforderungen gerecht werden, wie ein Buch von Piper, Heyne, Suhrkamp? Das heißt aber, dass Menschen, die nicht ohnehin schon überdurchschnittlich gut verdienen, kaum eine Chance haben. Denn wer hat mal eben 6000 Euro im Jahr, die nicht für Miete, Essen, Rentenrücklagen und Co. benötigt werden? Deren Verlust man schlimmstenfalls verschmerzen kann, wenn man sie nicht wieder einspielt?
Oder umgekehrt gefragt: Wer hat das Geld nicht? Denn das sind genau die Stimmen, die aussortiert werden, wenn Professionalität auf dem Niveau verlangt wird. Oft sind das ohnehin schon marginalisierte Gruppen. Erwerbsgeminderte Behinderte; Menschen mit Migrationshintergrund, die es schwerer haben, gut bezahlte Jobs zu finden; Alleinerziehende; Geringverdienende; … . Stimmen, die ohnehin auf dem Markt schon oft fehlen. Deren Lebenswelten uns weniger bekannt sind, als die des herkömmlichen weißen, heterosexuellen und halbwegs gesunden Mannes, der mit Frau und Kind im kleinen Eigenheim wohnt. Nichts, gegen ihn. Auch er kann tolle Bücher schreiben und seine Hautfarbe, sein Geschlecht, seine sexuelle Orientierung und seine vielleicht gute finanzielle Situation machen ihn nicht weniger wert, gelesen zu werden. Aber seine Stimme ist eben lauter als die der Anderen, und da wird es dann doch kritisch. Da betreiben wir als Leser Gate-Keeping und sortieren mit unseren Anforderungen genau die aus, über deren Abwesenheit am Markt wir uns oft beschweren.
Aber auch, wenn wir uns jetzt eine schreibende Person vorstellen, die das Geld hat. Die es verschmerzen kann, als Hobbyautor*in zu starten, in der Hoffnung, damit eines Tages dann doch Gewinn zu machen. Ist es fair, zu verlangen, dass diese Person schlimmstenfalls wieder und wieder Geld dafür zahlt, um uns unterhalten zu dürfen? Ist es ein Privileg, uns zu unterhalten, für dass man zahlen muss? Das kommt mir falsch vor, auch, wenn es natürlich in anderen Branchen ähnlich ist. Wer sich als Friseur*in selbstständig macht, muss immerhin auch in einen Salon, oder zumindest in ein Auto und Equipment für einen mobilen Salon investieren.
Andererseits reden wir bei Autor*innen fast ausschließlich von Menschen, die ohnehin schon einen Hauptberuf haben. Die nebenher schreiben, nicht, um damit reich zu werden (weil nur 5% der Autor*innen überhaupt ohne anderen Hauptberuf auskommen und der Traum davon ziemlich illusorisch ist). Ist es fair, da die gleichen Maßstäbe anzulegen, wie bei Leuten, die sich in Berufen selbstständig machen, in denen es nicht abwegig ist, den Lebensunterhalt damit zu verdienen?
Was ist denn mit Crowdfunding?
Bis hierhin hat sich der eine oder andere von euch das vielleicht schon gefragt. Schön und gut, dass das Veröffentlichen teuer ist. Aber das muss die schreibende Person ja nicht zwangsläufig alleine tragen, nicht wahr? Nun, Crowdfunding ist schön, und wir verdanken der reinen Existenz dieser Möglichkeit schon einige gute Bücher, ebenso wie Filme und Spiele. Aber nicht jeder, der ein Crowdfunding-Projekt startet, erreicht auch sein Ziel. Nur etwa ein Drittel der Projekte ist erfolgreich. Und wer hier nicht schon eine Lobby hat, also Freunde und Follower, die nicht nur selbst Geld haben, dass sie investieren können, sondern das Projekt auch noch teilen und bekannter machen, hat auch hier kaum eine Chance. Und wieder einmal trifft das die, deren Stimme eh schon leiser ist, schlimmstenfalls besonders stark.
Dasselbe Problem gibt es übrigens bei Patreon, Ko-Fi und Co. Nur, dass hier noch hinzu kommt, dass man regelmäßig Beiträge stellen muss. Das ist zumindest für Depressive und Menschen mit Krankheiten, die nicht immer gleich einschränkend sind, schwer zu machen. Von Menschen mit einem Privatleben mal ganz abgesehen, das immerhin bei jedem mal dazwischen kommen kann.
Wie wäre es denn mit der VG Wort?
Die VG Wort ist eine Verwertungsgesellschaft, die Schriftstellenden, Journalist*innen, etc. Geld zukommen lässt, wenn ihre Werke viel gelesen werden. Finanziert wird das, glaube ich – wieder, ich bin keine Expertin -, vor allem aus der Kopiergeräteabgabe, die Käufer*innen für zum Beispiel leere USB-Sticks, aber auch PCs oder Smartphones zahlen, wobei die Abgabe im Preis enthalten ist. Weil mit diesen Geräten oder Speichermedien das Speichern, Kopieren, etc. von urheberrechtlich geschützten Werken prinzipiell möglich ist, wird ein kleiner Teil des Preises an die Künstler ausgeschüttet, die damit ja potenziell Leidtragende von Kopien sein könnten. Das Geld geht unter Anderem auch an die GEMA, für Textmedien aber an die VG Wort. Nur, ist es relativ schwer, von denen auch nur einen Cent zu sehen. Zum Beispiel bin ich, für meinen Blog, dort angemeldet.
Über eine bestimmte Zeichenzahl hinaus würde ich, wenn ich ausreichend Klicks generiere, eine Vergütung für meine redaktionelle Arbeit hier kriegen. Nur … Ich weiß nicht, bei wievielen Klicks die Grenze für das Ausschüttungsjahr 2019 gezogen werden wird. Meine besten Beiträge sind mit etwa 600 Klicks innerhalb des Jahres aber nicht oft genug aufgerufen worden, dass ich auch nur einen Cent sehen würde. Und wir reden hier von Klicks, die die Lesenden nicht einmal etwas kosten.
Für Autor*innen ohne tatsächliche Veröffentlichung per ISBN und Shops, also für die, die vielleicht nur Kurzgeschichten auf ihrem Blog posten und so hoffen, etwas Startkapital zu generieren, ist es beinahe unmöglich, je etwas über die VG Wort einzunehmen. Hier profitieren wieder vor allem bekannte Namen, die viel verkauft und geklickt werden.
Gibt es denn keine elegante Lösung für das Dilemma?
Also, zumindest mir fällt keine ein. Oh, mir fallen theoretische Lösungen ein, ja. Aber keine davon ist wirklich praktikabel.
- Geringere Erwartungen in geringeren Preisbereichen
Sagen wir, wir machen die 99 Cent-Kategorie zum Einstieg für Autor*innen, die kein Geld investieren können oder wollen (zum Beispiel, weil sie sich schlicht noch nicht sicher sind, wie ihre Chancen stehen und einen Totalverlust verhindern möchten). Dann ergeben sich einige Probleme:- Wie klärt man alle Lesenden und Schreibenden darüber auf? Also, wie schafft man es, dass Lesende begreifen, dass sie hier nicht mehr die selben Erwartungen haben dürfen, wie bei einem Publikumsverlagsbuch? Und wie, dass auch Autor*innen nicht auf den Kolleg*innen herumhacken, die in dem Preissegment veröffentlichen, sich andererseits aber auch nicht gezwungen sehen, es ihnen gleich zu tun?
- Wie hält man das Preisdumping auf? Denn, wenn wir annehmen, dass Lesende immer nach dem geringsten Preis gehen, lesen sie vielleicht nur noch in dem Bereich und Leute, die Geld investiert haben, um professioneller zu veröffentlichen, haben vielleicht das Nachsehen.
- Und was ist mit Imageverlusten? Sagen wir, auf den Zug springen alle auf. Jeder veröffentlicht, was gerade zur Hand ist. Klatscht vielleicht in nur einem Tag eine Kurzgeschichte hin und verkauft die zum selben Preis, immerhin ist in dem Bereich das Publikum jetzt ja vielleicht unkritischer. Schlimmstenfalls leiten die Lesenden davon ab, dass Selfpublishing immer qualitativ schlechter sind, ein Vorurteil, aus dem sich die Branche gerade erst mühsam halbwegs herausgekämpft hat.
- Andere Einstiegsmöglichkeiten für Unvermögende, wie ein (monetarisiertes) Youtube für Bücher
Nun, das gibt es in gewisser Weise schon. Einerseits gibt es Readfy, eine Buchplattform, die sich vor allem durch Werbung finanziert, und dabei vor allem Bücher von Kleinstverlagen anbietet (die aber entsprechend wieder schon hochprofessionell gemacht sind). Andererseits versucht Wattpad in den USA Ähnliches. Aber eben nur in den USA, und gleichzeitig nur mit ausgewählten Autor*innen.
Eine Plattform, bei dem jeder seine Geschichten einstellen kann und Leser*innen sie kostenlos lesen können, wenn sie nur alle X Seiten Werbung ertragen, ist hingegen noch nicht auf dem Markt. Und nach der Verschärfung des europäischen Urheberrechts, das es Leuten schwer macht, überhaupt die eigenen Werke zu vermarkten, ist zumindest bei uns auch nicht mehr damit zu rechnen. Denn, um eine solche Plattform aufzubauen, bräuchte man nicht nur von Anfang an Werbepartner, sondern auch ausreichende Mittel, um die bald verlangten Uploadfilter zu kaufen oder selbst programmieren zu lassen. Ein Start-Up kann das nicht leisten, und, dass Google als Besitzer von Youtube auf die Idee kommt, dasselbe Konzept auf Bücher anzuwenden, ist ja doch eher unwahrscheinlich. Vor allem, weil es bei Büchern noch schwieriger sein könnte, zwischen eigenem Content und Fanfiction zu unterscheiden. Und so sehr ich mir ein Copyright wünsche, dass die kommerzielle Vermarktung von Fanfiction erlaubt, solange die Rechteinhaber des jeweiligen Fandoms einen gewissen Anteil der Gewinne bekommen, so illusorisch ist das, wie gesagt, zumindest in der EU.
Weitere ‚Probleme‘ abseits der Schreibenden selbst
Und noch etwas gilt es zu beachten: Auch freie Lektor*innen, Korrektor*innen, Buchsatzbetreibende und Cover-Artists wollen leben. Nun kann man sagen, dass diejenigen, die von einer unprofessionelleren und dennoch kommerziellen Veröffentlichungsmethode profitieren würden, ohne diese vermutlich auch kein Geld bei diesen Dienstleistern lassen würden. Vielleicht können sie sich so sogar dahin hocharbeiten, dass sie das Geld für professionellere Veröffentlichungen verdienen und diese damit finanzieren? Es ist durchaus eine Möglichkeit. Eine Andere wäre aber, dass mehr Schreibende versuchen, Kosten zu reduzieren und damit den Dienstleistern rund ums Selfpublishing Aufträge entgehen, sie wiederum in finanzielle Schwierigkeiten geraten, …
Fazit
Eigentlich kann ich kein Fazit treffen. Außer vielleicht, dass ich mit der Gesamtsituation unzufrieden bin. Aber es gibt keine zufriedenstellende Lösung, oder? Also weitermachen, wie bisher?
Das gefällt mir auch nicht. Nicht nur, weil ich zu denjenigen gehöre, die als Autor*innen darunter leiden. Ich habe schlicht nicht das Geld, professionelles SP zu finanzieren, ich nutze aber, unter Anderem wegen meiner Neurodiversität, auch einen Schreibstil, der doch nicht dem klassischen ‚Show, don’t tell‘ entspricht. Ich schreibe halt so, wie ich es als Leserin bräuchte. Das heißt nur leider, dass meine Zielgruppe vermutlich relativ klein ist, und, dass Verlage das Risiko wohl nicht eingehen wollen werden.
Und auch als Leserin habe ich genau dasselbe Problem. Sofern nicht jemand mit ausreichend Geld so schreibt, wie ich es bräuchte, werden diese Romane aus dem selben Grund auch von anderen Autor*innen nicht veröffentlicht werden können, wenn die Lage so bleibt, wie sie ist. Weil eine Veröffentlichung, ohne vollendete Professionalität zu riskant ist und einen schlimmstenfalls für immer die ‚Karriere‘ kosten kann.
Aber ich weiß eben auch keine Lösung, die Autor*innen, Leser*innen und allen, die ums Buch herum arbeiten, gerecht wird und gleichzeitig finanziell und rechtlich machbar ist. Wir scheinen in einem Dilemma zu sein, und es wird immer Verlierer geben.
Ich stimme dir voll und ganz zu. Hätte ich das Budget für ein professionelles Lektorat, würde ich mir erstmal besseres Essen und neue Kleidung kaufen. Zum Glück habe ich Freunde, die mir z.B. beim Cover helfen.
Dieses Preisdumping (99 Cent für ein Werk, an dem ich ein Jahr gearbeitet habe??) habe ich von vornherein nicht mitgemacht. Meine Bücher sind einen ordentlichen Preis wert und die allermeisten anderen ebenfalls.
Am Ende führt die Professionalisierung und Geldorientierung der Selfpublishing-Branche dazu, dass genau die gleiche Ware in diesem Segment sichtbar ist, die Verlage ebenfalls verbreiten. Das Interessante sind aber genau die Stimmen, die untergehen, die Experimente und die rohen, möglicherweise nicht perfekten, aber aussagestarken Werke derjenigen, die man sonst eben nicht hört.
Ich habe nie verstanden, warum man ein Buch für 99 Cent anbietet. Warum ist ein eBook so viel weniger Wert als eine Papierausgabe? Klar, Papier kostet Geld, aber ich finde es nicht gerechtfertigt, ein eBook so weit unter Wert zu verkaufen. Schließlich brauchen beide Versionen Lektorat, Korrektorat und einen guten Buchsatz. Von einem Cover mal ganz zu schweigen.
Bei der Preisgestaltung im Selfpublishing so wie im handmade Bereich kann ich manchmal nur mit dem Kopf schütteln. Da fängt einer an, der auf das Geld nicht angewiesen ist etwas unter Preis zu verkaufen und alle müssen mit machen. Warum führt man keine lohnbringende Kalkulation durch?
Ich verkaufe meine handgefertigten Grußkarten und Geschenkverpackungen auf kleinen regionalen Kreativmärkten. Meine Kalkulation richtet sich an Material- und Zeitaufwand. Ein wenig spielt leider auch „was sind andere bereit dafür zu zahlen“ eine Rolle. Auf meinem ersten Markt habe ich meine Grußkarten für 3€ das Stück angeboten. Finde ich absolut gerechtfertigt. Meine Materialkosten sind gedeckt und wenn ich meine Ideenfindungsphase nicht mit rechne, ist auch meine Zeit bezahlt. Ein weiterer Stand mit ähnlichen Werken bot die Karten für gerade mal 1,50€ an. Da habe ich nur mit dem Kopf geschüttelt. Jede tolle Karte im Supermarkt kostet schon an die 3€, wenn man den eine schöne Karte kaufen möchte. Da ist eine handgefertigte Karte doch etwas besonderes. Da muss ich die doch nicht noch günstiger, als jede maschinell gefertigte Karte machen, oder?
Ich könnte mich stundenlang über das Thema Preisgestaltung auslassen. Ich bin absolut bereit, für ein eBook den gleichen Preis, wie für ein Taschenbuch zu zahlen. Schließlich sitzt hinter beidem die gleiche Arbeit, die honoriert werden möchte. Ich hoffe, es geht mit den Preisen für eBooks wieder hinauf.
LG Kerstin
Hallo 🙂
Richtig interessanter Beitrag. Ich habe mich auch schon mit solchen Preisen beschäftigt und bin der Meinung, dass es vor allem darum gehen sollte, Büchern wieder mehr wert zu geben. Sprich schon nur 1.99 oder 2.99 zu verlangen, ist bisschen mehr Geld und die Leute, die nicht bereit sind diesen Beitrag für die Geschichte auszugeben, die wollen das Buch dann auch nicht wirklich lesen.
Es ist sehr schwierig, denn man verliert mit einem höheren Preis wieder einige mögliche LeserInnen, aber dafür kriegt man einen faireren Lohn für die Arbeit.
Aber du hast da ja schon alles schön erklärt.
Herzlich
Josia
#Litnetzwerk
Hallo Taaya,
ich finde du hast das aktuelle Problem sehr gut zusammengefassst.
Insgesamt darf es langfristig einfach nicht so bleiben.
An vielen Stellen ist leider auch das Problem, dass es eine große Käufergruppe gibt (egal ob im Buchladen vor Ort oder Online), die sich gar nicht so intensiv mit Literatur und dem ganzen Background auseinandersetzt. Dass stelle ich als Buchhändlerin im Laden leider immer wieder fest.
Und dieser Käufergruppe ist es leider egal, wie viel Arbeit, Zeit etc in einem Buch steckt, die möchten nur möglichst günstig Bücher kaufen. Viele SPler fühlen sich ja dann wohl auch unter Druck und verkaufen zu günstig, damit überhaupt gekauft wird. Leider ein Teufelskreis :/
Liebe Grüße
Chrissi
Hallo Taaya,
ein guter Beitrag. Wie auch von den Vorkommentaren angesprochen halte ich es für fatal, dass viele ihre Bücher für 0,99 Euro verkaufen. Leider kalkulieren ja selbst Gastwirte teilweise ihre Preise danach, was die anderen Läden in der Gegend nehmen. Aber wichtig ist zu schauen, was einen der Einkauf kostet und mit welchen Preis dann ein auskömmlicher Gewinn möglich ist. Natürlich ist es auch bei 4,99 Euro unwahrscheinlich, die Unkosten wieder einzuspielen, aber 700 verkaufte Bücher sind schon etwas wahrscheinlicher. Außerdem signalisiert ein zu niedriger Preis „Ramsch“ und ein „selbstbewusster“ Preis Wertigkeit.
Gäbe noch andere Aspekte, aber der Abend ist nimmer lang.
Viele Grüße
Elena
Huhu Elena,
wobei ich es spannend finde, dass alle genau diesen Punkt meines Beitrags ansprechen. Mir ging es tatsächlich vor allem eher darum, dass dadurch, dass auch Profis diesen Preisbereich ‚blockieren‘, Anfänger und daher vor allem Marginalisierte mit geringen Finanzen, keine Chance haben, sich etwas aufzubauen. Also, der Ausgangspunkt, warum mich das wirklich belastet, ist mehr das Gatekeeping, als die Tatsache, dass es günstige Ebooks gibt. Dass es nicht leicht zu ändern ist, weil dadurch, dass es sie gibt, ein Preisdruck nach unten entsteht, macht es nur schlimmer. Aber mein großes Problem ist wirklich, dass ich weiß, dass zumindest einige Autor*innen, zumindest aus der Behindertenbubble, aber vielleicht auch PoC und LGBTQ+. darunter leiden und von dieser Professionalisierung schon auf untersten Preisebenen davon abgehalten werden, überhaupt zu veröffentlichen. Der Gedanke, wie viele Stimmen wir nie hören, weil sie sich nicht leisten können, da mit zu halten … und zu wissen, dass auch für mich das wohl die einzige Chance wäre, aber nun mal nicht geht. Das … belastet mich ehrlich gesagt stark.
LG
Taaya
Huhu Taaya,
ja, das das ist wohl wahr. Der Zugang ist für marginalisierte Personengruppen ist überall schwierig, eben auch zum Buchmarkt. Wobei ich den Eindruck habe, das zumindest in den letzten Jahren eine Sensibilisierung stattgefunden hat und sich um mehr Diversität bemüht wird. Aber es ist noch ein langer Weg zur Chancengerechtigkeit und Chancengleichheit wird es da vermutlich nie geben.
LG
Elena