Buchdetails
- Erinnert an: „Da gehen doch nur Bekloppte hin“ von Andrea Jolander, nur weniger gut
- Genre: Sachbuch, angeblich Humor
- Erscheinungsdatum: 2011
- Verlag: Goldmann
- ISBN: 978-3-442-15679-5
- Taschenbuch 208 Seiten
- Sprache: Deutsch
- Triggerwarnungen: Suizid, recht graphische Darstellung psychologischer Krankheiten
Aufbau:
In drei verschiedenen Buchteilen geht Lütz erst auf die Normalen ein (nur zwanzig Seiten), um sich dann mit den Arten von Therapie und dann mit den Arten von Krankheiten zu beschäftigen und so einen ziemlich oberflächlichen Einblick in die Arbeit eines Psychiaters zu bieten.
Meinung:
Titel wie Klappentext sind irreführend. Dies hier ist nur eine Einführung in psychiatrische Therapieformen und Krankheiten, die offenbar humorvoll sein soll, in dem ich aber keinerlei Pointen gefunden habe – vom Vorwort von Eckart von Hirschhausen mal abgesehen.
Leider ist diese Einführung auch noch ziemlich … einseitig und unangenehm zu lesen. Teils patronisierend, teils mit einem ‚Alles ist organisch, und Medikamente sind toll‘-Ton und teils auch noch religiös-ideologisch angehaucht. (Ernsthaft, er teilt in Gut und Böse auf.) Dass da dann auch noch Freiheit eines seiner Schlüsselworte ist, und sich das teilweise liest, als wäre er nicht nur von der katholischen Kirche, sondern auch von den schlimmsten Chaoten der FDP verblendet. Kann man mögen, ich kann aber weder mit Christentum noch mit der FDP was anfangen und finde beides als Institution eher widerlich.
Was mich aber am meisten stört, ist wirklich, dass das Buch nicht das ist, was es zu sein behauptet. Anstatt einer Gesellschaftsanalyse, warum vielleicht Narzissten, Soziopathen und Egomanen, die in unserem aktuellen System nicht etwa als krank gelten, sondern im Gegenteil der gewünschte und besonders erfolgreiche Typ im Kapitalismus sind, eine Fremdgefährdung darstellen, anstatt zu schauen, ob Depressive, die vielleicht an der Welt und nicht nur am chemischen Ungleichgewicht im Hirn, zugrunde gehen, selbige Welt klarer sehen könnten, als die Leute, die zwischen Rassismus, Sexismus, Ableismus, Hungersnöten, Kriegen, Klimawandel und Co noch erzählen, wie toll Welt und Leben doch seien, geht er nur kurz darauf ein, dass ‚Normale‘ schon ein bisschen schräg seien, man das aber nicht therapieren könnte.
Man muss ihm zu Gute halten, dass er zumindest nicht vorschlägt, die Leute zu therapieren, die, zum Beispiel, auf Horoskope stehen ohne dabei ironisch zu sein. Denn seien wir ehrlich, wenn man alle Ethik in den Wind schießt, ginge das sicher auch. Dass man mit Pawlowschen Methoden eventuell mehr Schaden anrichtet, als Nutzen schafft, ist immerhin in manchen Bereichen der Medizin noch nicht angekommen. (Man sehe sich nur ABA-Methoden an, mit denen autistische Kinder dazu dressiert werden, bloß nicht aufzufallen.) Aber dass er keine unethischen Experimente vorschlägt, ist tatsächlich das einzig Gute, was ich über dieses Buch sagen kann. Klar, so eine oberflächliche Einführung kann sinnvoll sein. Aber nicht nur habe ich die schon deutlich besser gelesen, sie ist auch schlicht nicht das, was dieses Buch verkaufen will. Und nebenbei nichts, was mich nach dreizehn Jahren Leben mit Depression noch groß interessiert.
Fazit:
Verspricht nichts, was es hält, und den Einblick in die Psychiatrie kriegt man anderswo sowohl verständlicher als auch unterhaltsamer.
Meinungen anderer Blogger:
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