Buchdetails
- Erinnert an: (Aspekte von Harry Potter), Sophie und die Magie
- Genre: Kinderbuch, Fantasy
- Erscheinungsdatum: –
- Verlag: KJB
- ASIN: B072MX815G
- Ebook 208 Seiten
- Sprache: Deutsch
- Triggerwarnungen:Psychische Gewalt gegen Kinder, Mobbing, Vorurteile gegen bestimmte Berufsgrupen, Klassismus, (Ableismus, aber auf Fantasyfähigkeiten bezogen)
- Positiv anzumerken: PoC Protagonistin
(Gruselt es euch auch bei ‚das Schlamassel‘? Der Duden sagt, der oder das.)
Inhalt:
Alle Kinder entwickeln mit etwa neun bis zehn Jahren ihre Magie. (Es scheint keine nicht-magischen Menschen zu geben.) Die einen werden Fackler und können mit Feuer und Hitze zaubern. Die nächsten werden Flirrer und können sich oder andere unsichtbar machen. Die Flauscher können mit Tieren zaubern, sie zähmen oder zu Dingen bewegen, die sie von sich aus nicht tun würden. Die Flieger können just das – fliegen. Und dann gibt es noch die Fluxer, die ihre Gestalt verändern und sich in Tiere verwandeln können (denen dann wiederum Flauscher ihren Willen aufdrängen könnten).
Doch dann gibt es noch so Kinder wie Nory, die ‚vermurkst‘ sind. Ihre Magie funktioniert nicht so richtig. So kann Nory sich nicht oder nur schwer in ein komplettes Tier verwandeln. So wird sie schnell statt zur Katze zur Dratze – halb Drache, halb Katze.
Das wird von der Gesellschaft nur nicht gern gesehen. Und noch schlimmer ist: Ausgerechnet ihr Vater ist der Leiter der angesehendsten Zauberschule. Als Nory vor seinen Augen durch die Aufnahmeprüfung rasselt, schickt er sie zu ihrer Tante – und auf eine Schule, die eine Klasse für Sonderfälle wie Nory hat. Doch für Nory ist klar: Sie will lernen, normal zu sein.
Charaktere:
Man lernt die wenigsten Charakter hier so wirklich gut kennen, aber in einem so kurzen und schnellen Buch ist das kein Nachteil.
Lediglich Nory und Elliott, einen Fackler/Froster lernen wir etwas genauer kennen. Da beide aber erst in die fünfte Klasse gehen, ist auch ihr Charakter noch sehr roh und formbar. Fairness, falsche Freunde und Sinn für die eigene Identität haben sie an der Stelle noch nicht. Da wäre es spannend, sie über die Teenagerzeit hinweg weiter zu begleiten.
Meinung (in diesem Abschnitt gibt es Spoiler!):
Eigentlich ist dieses Buch über weite Strecken vor allem ein Beispiel dafür, wie furchtbar Menschen sein können, auch die eigene Familie. Norys Vater will von Beginn an nicht wirklich etwas mit ihr zu tun haben und als sie mit ihrer besonderen Magie durch die Prüfung an seiner Schule rasselt, schiebt er sie zu einer Verwandten ab, die sie seit Jahren nicht gesehen hat und verbietet seinen älteren Kindern den Kontakt zu ihr. Die widersetzen sich ihrem Vater zwar, halten Nory aber nur dazu an, doch gefälligst zu versuchen, normal zu werden. Akzeptanz oder Liebe? Fehlanzeige. Und auch in der neuen Schule wird Nory nicht nur von den ’normalen‘ Kids gehasst, sondern über weite Strecken auch von denen, die eigentlich genauso sind, wie sie, nur, weil ihr ein magisches Missgeschick passiert ist. So wirklich eingreifen und verletzliche Kinder schützen (und Norys Vater das Sorgerecht wegnehmen) tut keiner.
Aber eine spannende Allegorie zu Behinderung. Auch, dass die Gruppe getrennt von den ’normalen‘ Kindern bleibt.
Zwar lernen sie, für einander einzustehen, aber Inklusion findet nicht statt.
Das ist der Kritikpunkt, den ich an dem Ganzen habe, ansonsten ist die Geschichte schön zu lesen. Aber die sozialen Aspekte hätten mehr angesprochen werden müssen.
Der Weltenbau hätte auch ausgeprägter sein können. Wir wissen, dass jetzt langsam Klassen für Menschen wie Nory eingerichtet wurden und wir wissen auch, dass vor über hundert Jahren ihre Magie noch kein Problem gewesen, sondern eher bewundert worden wäre. Aber wir wissen nichts über die Zeit dazwischen. Wie wurde politisch damit umgegangen, dass es Menschen wie sie gab? Gibt es Menschen völlig ohne Magie? Warum steht Magie so im gesellschaftlichen Mittelpunkt, wenn sie für die meisten Berufe kaum eine Rolle spielt? (Denn die sind, bis auf sowas wie Flieger, die als Flugtaxis arbeiten, die selben, wie in unserer Welt.) Warum gibt es kein Jugendamt, dass Norys Vater mal den Kopf wäscht? Wo ist psychologische Betreuung für die Kids?
Gleichzeitig ist aber gerade dieser Ansatz von Weltenbau ein Grund, warum ich die Geschichte eigentlich ganz gut finde, trotz der Schwächen. Das macht Lust auf mehr, man will mehr über die Welt erfahren. Und vielleicht mag ich die Geschichte auch, weil sie, trotz allem Ableismus, Leute wie mich zeigt. Naja, nicht wie ich. Aber andere Leute, die nicht wirklich in die Gesellschaft passen, und die die Mehrheit sogar loswerden will. Dass Nory und die anderen Vermurksten langsam lernen, sich selbst zu akzeptieren und zu üben, wie sie mit sich selbst besser umgehen können, ist dabei schön zu sehen. Und auch, dass manche Vermurksten mit viel Anstrengung als Normal durchgehen könnten, aber dafür einen Teil von sich unterdrücken müssten, passt sehr gut in das Bild von Behinderung.
(Nur, dass kam ‚wir nennen das jetzt nicht mehr vermurkst, wir nennen das jetzt zickzack‘ hat mich genervt und an ‚Das ist keine Behinderung, das ist ein Handicap‘ erinnert.)
Fazit:
Ein Kinderbuch mit Schwächen, das aber durch Übersetzung auf Fantasy-Fähigkeiten gut geeignet ist, um Kindern Ableismus zu erklären, und ihnen beizubringen, dass es ganz okay und unter Umständen sogar von Vorteil ist, nicht ’normal‘ zu sein.
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