Ich hab schon wieder lange nicht mehr bei der Montagsfrage teilgenommen. Aber zu der heutigen hab ich eine so feste Meinung, da kann ich einfach nicht anders.
Sophia von Wordworld fragt:
WIE STEHT IHR ZU DEM AKTUELLEN FARBSCHNITT-HYPE?
ICH HASSE IHN!
Nicht falsch verstehen, wenn eine schreibende Person es lustig findet, eines der eigenen Bücher speziell zu verzieren, und das aus Marketinggründen dann zu verlosen? Absolut kein Thema.
Wenn ein Verlag zur Feier des Xten Jubiläums eine Sonderauflage mit Farbschnitt macht? Ja, dann macht doch. Werd ich nicht kaufen, ist aber auch kein Thema.
Ein Thema ist es aber, dass da mittlerweile eine Erwartungshaltung bei den Lesenden entsteht. Bücher mit Farbschnitt verkaufen sich plötzlich besser, obwohl die die Preise in die Höhe treiben. Bücher ohne Farbschnitt werden von den Bookfluencer*innen auf TikTok und Co weniger besprochen, sie sind auch privat scheinbar nicht daran interessiert, diese zu kaufen, weil die ja vor der Kamera nicht so viel hermachen.
Sowohl die steigenden Preise – ohne, dass die Autor*innen dadurch mehr Geld kriegen – als auch die Fokussierung auf Optik, anstatt auf Inhalt, werden ein echtes Problem.
Und es ist wieder was, womit die Großverlage Kleinverlage und Selfpublisher*innen ausbooten. Außer vielleicht, die Selfpublisher*innen sind scheiße reich oder Crowdfunding-Profis.
Ja, es ist leider so, die Leute buhlen um die Gunst und Aufmerksamkeit der Leser*innen, starten aber mit verschiedenen finanziellen Voraussetzungen. Großverlage denken sich immer mehr aus, Charakterkarten, Farbschnitt, … Und haben die Möglichkeit, das zu investieren. Selbst für gehypte Debütautor*innen (die sich dann auch mal als Luftnummern herausstellen und tolle Cover und Farbschnitte, aber keinen guten Inhalt haben – stört nur keinen, die Bücher sind dann ja schon ausverkauft). Und diejenigen, die da finanziell nicht mithalten können, finden in der Buchhandlung und bei den großen Influencer*innen nicht statt. Ein Teil der Zielgruppe ist so schon von Beginn an verloren.
Und das ist ja nicht mal das einzige Problem:
Auf Tiktok gibt es teils richtige Schlachten zwischen denen, die sich ZWEI Farbschnittbücher gesichert haben, und denen, die keines abbekommen haben.
Aus dem Buchhandel hört man wiederum, dass Leute das Buch, das sie bestellt und per Post bekommen haben, wieder zurückschicken, wenn sie nicht durch Glück den limitierten Farbschnitt bekommen haben.
Rund um den Farbschnitt zeigen die Leute sich von ihrer beschissensten Seite. Entschuldigt bitte mein Klatschianisch.
Ich wünschte, wir würden endlich zu einem Markt kommen, wo das Buch ERST in der günstigen Variante (Taschenbuch) – und meinetwegen auch Hardcover – und natürlich E-Book und Hörbuch, aus Barriereabbaugründen, herauskommt, und all die tollen Schmuckauflagen, Farbschnitte, illustrierten Ausgaben, … wieder das werden, was sie früher waren: Sondereditionen für die echten Fans, die das Buch auch doppelt im Regal haben wollen und dafür bereit sind, noch mal etwas mehr zu zahlen.
Und nichts, was bei Erstveröffentlichung gleichzeitig Standard und Glücksspiel darstellt, wo Leute das Gefühl haben, einen Anspruch darauf zu haben, die Bücher insgesamt teurer sind, und, weil man den Inhalt schlicht noch nicht kennt, die Optik das einzig Entscheidende ist. Dann wären Farbschnitte auch kein Problem mehr, wenn sie eben etwas Besonderes bleiben würden, was einem nicht aufgezwungen wird, was nicht die Norm ist, und den Lesenden einfach auch nicht zwangsläufig zusteht. Und, sie erst rauskommen, wenn man schon anhand des Inhalts entscheiden kann, ob das Buch einem so viel wert ist. Oder eben als einmalige Marketingaktion mit nur EINEM Gewinn, als etwas noch Persönlicheres von der*m Autor*in als ’nur‘ eine Signatur.
TL;DR: Farbschnitte, wie sie jetzt gemacht werden, sind auf mehreren Ebenen problematisch, und eine gewisse Gruppe unter den Lesenden benehmen sich, wenn es um Farbschnitte geht, wie Kindergartenkinder, wenn jemand ihr liebstes Sandförmchen nimmt.
Huhu Taaya 🙂
Die Erwartungshaltung finde ich auch sehr fragwürdig und nicht gut für die Entwicklung des Buchmarktes. Dass die Optik immer mal zählte als der Inhalt (Stichwort Coverlover) .. nun ja, das stört mich nicht so, ich handhabe es anders. Jeder wie er mag.
Dass Bücher zurück geschickt werden, weil es keinen FS hat, finde ich im Sinne der Nachhaltigkeit echt bedenklich … aber auch generell bedenklich. Was macht das für einen Eindruck? Und warum reagieren die Verlage nicht, sondern befeuern es im Gegenzug?
Ich bin ganz bei dir … ich würde mir auch wünschen, dass die FS wieder das „Besondere“ sind, was sie früher waren.
Lieben Gruß
Andrea
Farbschnitte?
Hey Taaya,
wie schön, dass du mal wieder bei der Montagsfrage mitmachst! Haha da hast du dir ja heute einiges von der Seele geredet, aber ich kann deinen Standpunkt total gut verstehen!
Besonders der Gedanke, warum denn nicht zuerst eine einfache Standardversion eines Buches erscheint und dann später für die Fans nochmal aufwändige Neuauflagen (gebunden, Farbschnitt, limitierte Auflage etc.), finde ich aus Konsumentensicht sehr einleuchtend, auch wenn man das aus Sicht der großen Verlage denke ich schnell beantworten kann: weil es sich finanziell nicht so sehr lohnt wie direkt mit hübschen, teuren Ausgaben Käufe zu generieren. Was das für Kleinverlage und SelfpublisherInnen bedeutet hast du ja gut erklärt…
Liebe Grüße
Sophia