Heute möchte ich etwas nachdenklich schreiben. Nicht über tief berührende Themen, sondern über den Alltag eines Lesers – und nicht nur den eines Bloggers. Aber fangen wir mit einer Frage an:
Was haben diese drei Bücher gemeinsam?
Oder diese hier?
Nichts, sollte man meinen. Verschiedene Genres, verschiedene Coverfarben, Autoren und Verlage. Sogar verschiedene Abnutzungszustände (ich liebe Nathan einfach, bitte entschuldigt). Gut, es sind drei Science-Fiction-Bücher darunter. Aber nicht in der gleichen Gruppe.
Also was haben sie denn nun gemeinsam? Der erste Stapel hat 160 Seiten. Jedes einzelne Buch hat die gleiche Seitenzahl. Ebenso beim zweiten Stapel, wobei es hier 272 Seiten sind (die häufigste Seitenanzahl in meinem Regal, wenn man Goodreads glauben kann).
Vor kurzem bin ich in einem Forum auf die Aussage gestoßen „Das Buch hat ja nur 300 Seiten. Das ist kein Buch, das ist ein Heft!“ und zuerst wollte ich einen glühenden Beitrag dazu machen, warum ich Bücher mit weniger Seiten eigentlich sogar angenehmer finde und warum sie dadurch noch lange nicht qualitativ schlechter sein müssen. Das glaube ich auch immer noch.
Aber dann fiel mir ein, wie oft ich Bücher in der Hand hatte, die fast zu groß für meine -zugegebenermaßen unnormal kleine – Hand waren, und die sich dann nicht als Wälzer entpuppten, sondern nur zwischen 300 und 400 Seiten hatten. Wie oft ich riesige Bücher in der Hand hatte, die aber nur sehr wenig Seiten hatten und dünn waren – und ich spreche nicht nur von Comics. Wie oft ich einen dünnen Klassiker in der Hand hatte, der nur knapp über 100 Seiten aufwies, mich aber selbst bei flüssigem Schreibstil mehr Zeit kostete als die meisten neuzeitlichen Bücher.
Selbst Bücher mit der gleichen Seitenzahl fallen vollkommen unterschiedlich aus. Das liegt nicht nur an der Dicke des Papiers und ob es sich um Hardcover oder Taschenbücher handelt. Nicht nur daran, ob sie gleich groß im Format sind – wobei auch Taschenbücher nicht immer eine einheitliche Länge und Breite aufweisen. Und auch unterschiedliche Druckgrößen spielen eine Reihe.
Um bei den Beispielen zu bleiben macht es einen Unterschied, ob Bilder eingefügt sind, welche Schriftart und Größe der Text hat, ob für jedes Kapitel eine neue Seite angefangen wird, wie viele Dialogszenen vorkommen, oder ob ein Buch vielleicht fast vollständig aus Cartoons oder Karikaturen besteht.
Das führt mich zu dem Gedanken, ob es wirklich so gut ist, Bücher anhand der Seitenzahlen zu bewerten, zu messen. Es wird vielen Büchern nicht völlig gerecht und hier spreche ich nicht nur über die Qualität. Auch eine Kurzgeschichte kann auf einem hohen schriftstellerischen Niveau sein. Nein, mit Qualität hat das nicht einmal etwas zu tun, auch wenn manch einer Bücher nur wegen ihrer Seitenzahl als gut oder schlecht abtut.
Hier geht es mehr um Quantität. Um unsere heiß geliebten Statistiken, wie viel wir lesen. Um den Vergleich, ob man schneller oder langsamer als andere Leute liest. Aber wie bemisst man bei so unterschiedlichen Büchern überhaupt vollkommen objektiv die Quantität? Wäre es sinnvoller, die Wortzahl zu bemessen? Die Zeichenzahl? Aber was würde dann aus Bilderbüchern werden? Oder aus schönen Illustrationen, wie beim Reiseführer zum Planeten Vulkan? Was aus Cartoons wie bei Loriot?
Ich habe keine Antwort. Es gibt keine allgemeingültige Antwort, denke ich. Aber so, wie wir jetzt messen, ist es auch nicht völlig objektiv, nicht völlig vergleichbar. Und auch, wenn ich keine Lösung aufweisen kann, war es mir zumindest wichtig, mir und auch euch ins Gedächtnis zu rufen, dass ein Buch mit 160 oder 272 Seiten dennoch nicht einfach nur ein Buch mit 160 oder 272 Seiten ist. Jedes ist wieder anders, und das schon quantitativ. Daraus sollten wir erst recht keinen allgemeinen Schluss zur Qualität ziehen.
Stimmt, das ist mir auch schon aufgefallen. Gerade bei Leseabenden finde ich das krass, wenn am Ende verglichen wird, wie viele Seiten jeweils gelesen wurden und dann manche scheinbar doppelt so viel geschafft haben wie andere, sich im Endeffekt aber vermutlich nur das Buch sehr viel schneller lesen ließ. Aber die Worte zu zählen ist ja natürlich auch keine Option 😉
Ich halte generell nicht viel davon, Bücher anhand ihrer Dicke zu beurteilen. Vor allem weil auch teilweise die Dicke des Papiers unterschiedlich ist. So sind deutsche Bücher meist viel dicker als die englische Ausgabe, das ist mir schon aufgefallen. Wobei das auch immer von Verlag zu Verlag variiert, genau wie die Seitenränder oder Schriftgröße.
Du hast vollkommen Recht und ich freue mich, dass dieses Thema mal zur Sprache kommt. Die Abmessungen der Bücher, die Schriftgröße, der Weißraum, die Papierdicke, Illustrationen etc, all das hat einen Einfluß darauf, wie viel Zeichen sich auf den Seiten versammeln. Und dann weiß man noch nichts über den Gehalt der Zeichen.
Ich gebe die Seitenanzahl auch immer an, für einen Anhaltspunkt, ob es eher ein kurzer Roman, ein mittlerer oder ein dicker Wälzer ist.
Die Lesezeit wäre vielleicht der geeignete Maßstab; Kindle gibt die Lesezeit immer recht genau an.
Aber ein Qualitätsmaßstab ist die Seitenzahl sicherlich nicht.
Deinen Beitrag hab ich auf meiner Wanderung durch die Welt der Bücherblogs verlinkt.
Liebe Grüße
Daniela
Hallo Taaya,
nette Idee! Ich finde es auch immer wieder erstaunlich, wenn ich Bücher sehe, die die gleiche Seitenzahl haben aber völlig unterschiedlich dick sind. Ich bevorzuge mittlerweile auch eher die Lesezeit, aber die lässt sich schwerer bemessen, als eine Seitenzahl. Ist ja ganz klar.
Schade nur, dass du zum Ende des Beitrages irgendwie „keine allgemeingültige Antwort“ gefunden hast. Es wäre ja sicherlich herauszufinden gewesen, wieso, weshalb und warum die Gestaltung eines Buches in manchen Situationen so ist, wie sie ist und wie es da zu unterschieden kommt. Im Prinzip sagst du ja nur, dass es die Quantität ist und nichts über den eigentlichen Inhalt verrät. Das wäre ja schon eine mögliche Antwort.
Liebe Grüße
Henrik
Huhu Henrik,
naja, unter einer allgemeingültigen Antwort hatte ich eine Lösung für all unsere Probleme verstanden. Den ultimativen Vorschlag, wie wir unser Leseverhalten vergleichen können, wenn wir denn wollen. Ohne, dass uns die Schriftgröße und Ähnliches einen Strich durch die Rechnung zieht und unsere Messgröße verfälscht.
Das Wieso bei der Gestaltung kann vermutlich nur jemand von den Verlagen beantworten. Klar, Kinderbücher müssen etwas größer gedruckt werden, damit die Leseanfänger nicht ganz solche Probleme haben, und manche Senioren brauchen auch wieder größeren Druck, weil die Lesebrille allein nicht mehr hilft. Aber auch bei den Romanen für Jugendliche und die für Erwachsene, die nicht in Großdruck hergestellt sind, variieren ja. Das kann wirklich nur jemand erklären, der da als Kopf auch dahinter steckt. Und leider gehöre ich nicht dazu. 🙁
Liebe Grüße
Taaya
Ich finde, ein Buch sollte so lang sein, wie es die Geschichte hergibt. Bei ganz vielen dieser Wälzer (so >500 Seiten) habe ich oft das Gefühl, dass die einfach nur so lang sind „weil sie es können“.
Leider sind diese „Kurzgeschichten“ (besser gesagt kurze Geschichten) total verrufen … und ich verstehe es nicht… das ist ein wenig frustrierend, weil ich im Moment an meinem ersten Buch arbeite und mittlerweile im dritten Überarbeitungsprozess stecke und mich immer wieder frage, ob es denn eigentlich lang genug ist oder ich nicht einfach noch ein paar Szenen dazu schreiben soll.
Aber ich hab das Gefühl, das würde die Story verdünnen …
Naja. Ich habe keine Lösung für das Problem 😀
LG Sina
Oh ja, das Problem habe ich gerade auch. Mein Erstlingswerk ist nur 65K Wörter lang und damit 15k unter dem von einigen Verlagen anberaumten Minimumwert für Fantasy. Ich frage mich auch schon, ob es überhaupt Sinn ergibt, Verlage anzuschreiben, die 3-4 Monate Wartezeit zu ertragen und dann die Ablehnungen zu schlucken, wenn eigentlich eh abzusehen ist, dass ich Selfpublisher werden muss. (Was wiederum erhebliche Kosten mit sich bringt und mich fragen lässt, ob ich überhaupt veröffentlichen sollte.)
Also … mein Kommentar bietet jetzt nicht gerade Rat, aber du bist nicht alleine.
Ich habe eine ganz ketzerische Frage. Warum sollte man den Leseerfolg in Buchdicke, Seitenanzahl oder Wörteranzahl bemessen. Viel wichtiger ist doch was man aus einem Buch lernt und ob man Freude damit hatte. Seid wann geht es beim Lesen um Objektivität?