Hier erzählt eine Vertretungsprofessorin von ihrem ersten Ausflug in die höheren Hierarchieebenen einer Uni und dem Leben als Geisteswissenschaftlerin.
Schon beim ersten Kurs, den Frau Both hier beschrieb, habe ich mich kurzzeitig gefragt, ob sie meine Dozentin sein konnte. Aber nein, wir haben keine hauptberuflichen Genderwissenschaftler. Dennoch lief ihre Sitzung ganz genau so ab, wie unsere im Genderseminar und auch viele andere Situationen erinnern einen deutlich an das eigene Leben – selbst wenn man noch Student ist.
Und weiter geht es, immer amüsant, teils selbstkritisch, teils mit ‚Außenseiter’blick auf die schon vorhandene Uni-Hierarchie, die man mit etwas Hinschauen als Student auch am eigenen Institut zu sehen glaubt, auch wenn manches etwas übertrieben scheint. Aber vielleicht nur, weil es bei einem selber reibungsloser klappt?
Das Einzige, was ein wenig fehlen mag, ist noch die Studentenperspektive, aber einige Jahre nach dem eigentlichen Studium ist das nicht mehr zu erwarten. So glaubt Frau Both, dass 100 Seiten für eine Vorlesung wöchentlich zu machen sind – sieht dabei aber nicht, dass sich das mit den durchschnittlich 6-8 Kursen pro Woche auf entsprechend 600-800 Seiten die Woche aufaddiert, und da Referate und Hausarbeiten nicht einmal eingeschlossen sind. Und auch, dass man nie wieder so viel Freizeit haben wird, wie als Student, finde ich als Einstellung tragisch, denn meiner Erfahrung nach hat ein Geisteswissenschaftsstudent, wenn es hochkommt, vielleicht ein Wochenende im Jahr völlig frei. Die Studentenseite wird hier also in manchen Augenblicken viel zu sehr romantisiert. Dann kommen aber wieder die Eindrücke der heutigen Karriereplanung und des Druckes schon ab dem ersten Semester, die den Aussagen der studentischen Freiheit wieder widersprechen. Ganz abgerundet ist das Bild, dass die Professorin hier vom Leben mit der Bologna-Reform hat, nicht. Meiner Meinung nach ist es aber nicht genug, um einen Stern abzuziehen, denn das Buch lässt sich einfach nur hervorragend lesen, fesselt, lässt einen bedauern, es weglegen zu müssen. Unterhaltsam, spannend, empfehlenswert.