Politisch unkorrekte Klassiker: Was tun?

Dieser Beitrag ist mehr oder minder eine Antwort auf „(Problematische) Klassiker: Sollen wir Klassikern Immunität gewähren?“ von The Written Word und dadurch inspiriert, dass Blogspot leider oft Nicht-Blogspot-Bloggern nicht ermöglicht, zu kommentieren. Ich hatte fast eine halbe Stunde an meiner Antwort gefeilt, und dann ließ sich der Kommentar einfach nicht abschicken.
Aber worum geht es?

 

Der Originalbeitrag beschäftigt sich unter anderem mit Harper Lees „To kill a mockingbird“, greift aber auch Astrid Lindgrens „Pippi Langstrumpf“ auf. Aufgegriffen wird dabei, dass in vielen Büchern Begriffe vorkommen, die wir heute als rassistisch ansehen und wie wir damit umgehen sollten. Fazit ist dort, dass man nicht verurteilen, aber sich doch vergegenwärtigen sollte, wie das aus heutiger Perspektive zu sehen ist.

Ich sehe das zwar auf eine Art und Weise ähnlich, aber gleichzeitig aus einem anderen Winkel. Ich sehe sie nicht einmal so sehr als etwas, womit man vorsichtig umgehen muss, sondern als Schritte auf unserem Weg. Als etwas, was wir bewusst lesen und jedem ans Herz legen sollten. Also die Bücher, nicht die Denk- und Sprechart von damals.

Denn heute sind diese Begriffe politisch inkorrekt. Heute verbinden wir Schlechtes damit, eine Zeit, in der Leute unterdrückt wurden. Das ist völlig klar. Früher aber war es völlig normal, Schwarze mit dem N-Wort zu betiteln. Also dem N-Wort mit einem G. Das mit zwei G war schon länger ein Schimpfwort, aber ich glaube, auch das nicht immer. Früher war das erste N-Wort so völlig normal, wie man heute von Schwarzen spricht.

Jetzt gibt es Leute, die finden, dass diese Bücher umgeschrieben gehören. Gerade Pippi Langstrumpf, deren Vater ja nicht nur Pirat, sondern auch noch König eines Stammes von Schwarzen ist. Im Buch wird das N-Wort dafür genutzt.

Wenn wir diese Bücher ändern, löschen wir nicht damit die Vergangenheit aus? Aus unserer heutigen Sicht sind diese Worte unsensibel und rassistisch, aber so war diese Zeit. Die Zeit, in der man Frauen im Büro noch an den Hintern grabschen und sie als ‚Mädchen‘ abtun konnte, auch wenn sie über 30 waren. Es war eine rassistische und sexistische Zeit. Wenn wir diese Bücher umschreiben, dann fehlen uns irgendwann schriftliche Zeitzeugnisse davon. WIR wissen das noch. Wissen, dass es Zeiten gab, in denen Alltagsrassimus und Alltagssexismus noch viel weiter verbreitet waren, als heute. Und das, obwohl es heute noch lange nicht ideal ist. Aber auch die Generationen nach uns müssen das aufarbeiten, wieder und wieder jede einzelne Generation für sich den Schluss ziehen, dass und warum unsere Gesellschaft sich weiterentwickelt hat.

Wenn wir diese Bücher ändern oder einfach nur als mit rassistischem Hintergrund geschrieben abtun, dann haben wir nur noch Geschichtsbücher dazu (wenn überhaupt), und welches Kind liest freiwillig mit offenen Augen Schulbücher. Besser ist es, wenn sie durch das Lesen von Büchern wie Mockingbird erfahren, wie die Welt war. Und, dass auch die, die sich für die Schwarzen, für Frauen eingesetzt haben, vollkommen unreflektiert Begriffe nutzten, die beleidigend sind. Wie leicht man so etwas tut, nur weil es die Mehrheit auch macht, ohne darüber nachzudenken. So, wie unsere Generation vor 15 Jahren auf dem Schulhof noch schwul, behindert oder Spasti gesagt hat, und gar nicht bemerkt hat, dass behindert als Schimpfwort furchtbar für die tatsächlich Behinderten ist. Dass Spastiker nichts für ihr Leiden können, und Schwule ganz normale Menschen sind und nichts, was man negativ abtun sollte.

Wir brauchen diese Bücher, um uns vor Augen zu führen, wie weit wir gekommen sind, aber auch, dass mit unserer Diversifizierung der Gesellschaft immer neue Begriffe plötzlich politisch inkorrekt werden und wir jeden Tag aufs Neue dazu aufgerufen sind, uns selbst und unsere Sprache zu hinterfragen.

Diese Bücher bringen uns, wie ich meine, erst auf den richtigen Weg. Und daher wäre es auch falsch, Bücher von damals anhand unserer heutigen Gesellschaft als gut oder schlecht geschrieben zu bewerten. Sie müssen im historischen Kontext betrachtet werden und erst dann darf geschaut werden, welche Lehren man daraus ziehen kann.

 

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