Was macht (für mich) ein gutes Buch aus?

Immer mal wieder gibt es im Feuilleton kleine Anmerkungen, was denn ein gutes Buch ausmacht, oder Spitzen gegen Leser bestimmter Bücher, weil diese aufgrund von bestimmten Merkmalen als unwürdig und niveaulos angesehen werden. Oft wird kritisiert, dass man zu viel Wohlfühl-Lesen betreibt, also nur Bücher liest, die einem Spaß bereiten. Eine ähnliche Richtung sieht man auch beim Klassikercanon des deutschen Sprachraums, sowie bei bei Preisverleihungen. Literaten scheinen Bücher wie Medizin zu sehen: Sie müssen bitter schmecken, sonst wirken sie nicht. Dass es auch in der Buchwelt das Äquivalent des pinken, leckeren Antibiotikumsaftes geben könnte, kommt ihnen dabei nicht einmal in den Sinn.

Das hat mich zum Nachdenken angeregt. Denn einerseits möchte ich ja auch, dass Bücher nicht nur amüsieren, nicht nur den Sprachgebrauch trainieren, sondern auch weiterbilden. Gleichzeitig aber liegen mir diese typischen hochgelobten Belletristikwerke, die vom literarischen Quartett und Co. empfohlen werden, überhaupt nicht. Im Gegenteil, schon bei dem Gedanken, so etwas lesen zu müssen, kriege ich panische Schweißausbrüche und fühle mich in die Schulzeit zurückversetzt, wo ich furchtbare und für mein Empfinden regelrecht dumme Werke (Werther!) lesen musste und mich nicht dagegen wehren konnte.

Also versuche ich nun einmal, in Worte zu fassen, was für mich ein gutes Buch ausmacht.

 

Dabei glaube ich, dass es zunächst auf die Situation ankommt. Ein Buch kann im einen Moment deines Lebens unglaublich gut sein, im anderen Moment belastet es dich aber so sehr, dass die Beschäftigung damit dich krank machen kann. Sei es nun, weil darin ein Trigger ist, auf den man selbst reagiert, oder, weil man sich schlicht gerade überfordert und dumm fühlt und da ein sehr anspruchsvolles Buch nur Salz in die Wunde streut.

Ich versuche mal, meine Gedanken, welche Bücherarten es dann gibt, die gut tun, genreneutral zu bleiben.

 

Das Buch, das einem Geborgenheit spendet

Dieses Buch ist meist eher niedrigschwellig, es will einen nicht unterrichten, bietet keine neuen Denkanstöße. Statt dessen fungiert es als eine warme Decke an einem kalten Abend. Ob es nun eine Möglichkeit bietet, der rauen Realität zu entkommen, oder sich einfach nur auf den Teil der realen Welt konzentriert, der einen nicht überfordert, ist dabei egal. Hauptsache ist, dass dieses Buch einem die Möglichkeit gibt, wieder durchzuatmen und Kraft zu schöpfen.

 

Das Buch, das einem gezielt den Spiegel vorhält, ohne dabei zu sehr zu werten

Dieses Buch kann bittere Medizin sein. Es beschreibt einen Fakt, der auch im eigenen Leben vorkommt, zeigt einem eine andere Seite auf, gibt zu denken. Aber es darf kein abschließendes Urteil fällen. Der Leser selbst muss derjenige sein, der am Ende seine eigene Meinung revidieren und ändern kann, aber nicht muss. Wenn es eine Wertung aufdrücken würde, wäre es zu bemutternd, würde zu weit in die Lebenswelt des Lesers eingreifen. So aber setzt es Denkanstöße und lässt den Leser selbst wählen, was er damit macht. Das sorgt für weniger Widerstand, sollte der Leser merken, dass seine Meinung nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist, und so folgen seltener Trotz und Aggression auf diese Erkenntnis. Das ist psychisch wichtig, weil es so auch den änderungswilligen Leser weniger belastet. Er ist nicht das getretene Tier, das nachgeben muss, sondern der informierte ‚Intellektuelle‘, der ‚von sich aus‘ klüger wurde und es so als seinen eigenen Erfolg verbuchen kann. Ein Autor, der so zu schreiben vermag, ist selten und umso schützenswerter.

 

Das Buch, dass unterhält und einem dabei etwas beibringt, ohne, dass man das mitbekommt

Das ist meine Lieblingsbuchform. Ich mag es, wenn ich auf den ersten Blick einfach nur eine gute Geschichte ohne irgendeinen intellektuellen Anspruch lese, und hinterher erst merke, dass ich klüger oder mit Drang  nachzudenken wieder daraus auftauche. Diese Art Buch belastet einen nicht, sie ist leicht und zugänglich erklärt, aber auf den zweiten Blick nicht flach. Sie fügt Wissen oder Gesellschaftskritik nur so beiläufig und nahtlos in eine spannende und unterhaltsame Geschichte ein, dass sie sich nicht aufdrängen und dennoch konsumiert werden. Damit bringen sie den Anspruch von Literaten und den des Massenmarktlesers zusammen, auch wenn die Literaten das Buch oft trotzdem als Unterhaltungslektüre verdammen.

 


Natürlich stimmt es irgendwie schon, was Feuilletonisten sagen. Es wäre natürlich besser, wenn ein Buch uns auch klüger macht. Wenn wir uns durch einen Roman einer schlimmen Wirklichkeit stellen. Denn nur so können wir auch etwas gegen diese Wirklichkeit machen. Um kämpfen zu können, muss man nicht nur den Feind erst kennen, sondern auch aus eigenem Antrieb, wie Leid, kämpfen wollen.

Was ich aber nicht verstehe, ist, wie die Menschen, die das fordern, nicht begreifen können, dass man nicht nur kämpfen kann. Dass man manchmal ein Buch vom Typ 1 braucht. Und, dass es doch für alle Beteiligten auch dann, wenn man etwas lernt, viel besser ist, wenn einen das Buch dann nicht abschreckt. Wenn man es gern liest. Wieso man auf Leute, die so lesen, herabschauen muss und so vielleicht sogar noch verhindert, dass mehr Leute sich auf diese Art fortbilden.

Ich persönlich weiß, dass mir auch die Bücher, die ich lese, schon den Horizont erweitert haben. Dass sie mir Freude bereiten. Übrigens auch die, die nicht in diese Kategorien fallen. Es gibt auch dort tolle Bücher. Aber die Bücher dieser drei Kategorien haben sogar einen Nutzen, der den Forderungen mancher Literaten in die Karten spielt. Sie haben neben den sprachlichen und physiologischen Vorteilen aller Bücher auch noch einen gesellschaftlichen Wert. Und deshalb sollte man nicht auf sie hinabschauen, nur weil sie Unterhaltungsliteratur sein mögen.

Was ich mit diesem Post bezwecken will? Eigentlich gar nichts. Ich wollte meine Gedanken niederschreiben, für den Fall, dass sie für irgendjemanden spannend sind, oder zu weiterführenden Diskussionen anregen können.  Gleichzeitig fände ich es auch schön, wenn mehr Leute so nicht mehr von Verdummung reden, nur weil man mal einen Genreroman liest. Aber die Leute, die wirklich so denken, lesen hier eh nicht mit, das ist mir klar.
Letztendlich hat es mir trotzdem Spaß gemacht, auch mal zu überlegen, was ich auch aus meiner U-Literatur so alles mitnehmen kann. Dass ich auch daraus lernen kann. (Hey, die Lektüre eines lustigen Taschenbuchs über Kolumbus hat mir mal eine gute mündliche Stundenzensur im Spanischunterricht beigebracht, denn ich hatte Kolumbus nie in Geschichte!) Und für mich selbst auch zu rechtfertigen, warum meine Bücher nicht wertlos sind – abseits vom materiell sehr wohl vorhandenen Preis. Und vielleicht gibt euch das ja auch ein gutes Gewissen, oder ein kleines Gefühl eines moralischen Sieges, wie ich es hatte.


Zum Abschluss aber auch noch der Hinweis, dass natürlich längst nicht alle Feuilletonisten, Literaten oder Literaturwissenschaftler so sind. Es gibt immer wieder ein paar laute Menschen, die in der Funktion auf entweder Buchblogger oder den Massenmarktleser hinabschauen. Und denen danke ich – denn, obwohl ich ihre Meinung wissenschaftlich einfach falsch finde (dass nur ‚Hochkultur‘ positive Effekte hat, ist längst widerlegt), bieten sie doch die Möglichkeit zur Diskussion und machen das Leben spannender. Danke.

1 Gedanke zu „Was macht (für mich) ein gutes Buch aus?“

  1. Hallo,

    Ich finde die Ansicht, dass man nur Lesen sollte um sich zu bilden oder nur anspruchsvolle Literatur lesen sollte, ist sehr veraltet. Vor 200 Jahren war das vielleicht noch der Stand der Dinge, zumal meist nur der Adel gelesen hat. Aber heutzutage finde ich es absolut nicht verwerflich, wenn ein Mensch nur zum puren Vergnügen lesen möchte. Was um alles in der Welt ist schlimm daran? Soll ich auch nur anspruchsvolle Filme ansehen, nur Opern hören und nur Denksport betreiben? Nope. Nicht mit mir. Ich lese zwar sehr gerne anspruchsvolles, aber ich schäme mich kein bisschen, wenn ich dann nicht wirklich viel vom Buch mitnehme, außer einem schönen Schreibstil und toller Wortgewandtheit. Jeder soll lesen was er möchte, und sollte dafür auch nicht kritisiert werden. Wenn manche Spitznasen sich dadurch besser fühlen, wenn sie nur die Shortlists diverser Buchpreise lesen: Schön für sie. ich fühle mich gut damit, wenn eine Janet Evanovich mich damit zum Lachen bringt, dass eine tollpatschige Frau vergeblich versucht einen Verbrecher ins Kittchen zu bringen.

    Für mich sind übrigens die Bücher gelungen die entweder meine Emotionen richtig mitnehmen (gerade bei Thrillern) oder die einen sehr sinnlich-ruhigen und gleichzeitig eindrucksvollen Schreibstil aufweisen (z.B. „Carol“ von Patrizia Highsmith“). Solche Dinge sind natürlich auch immer persönliche Ansichtssache.

    Was ich dir aber am Ende eigentlich sagen will: Ein toller Beitrag von dir 😉

    Liebe Grüße!

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

* Die DSGVO-Checkbox ist ein Pflichtfeld

*

Ich stimme zu