Buchdetails
- Erinnert an: Ein wenig an Caspar. Ihr wisst schon, der Film mit Christina Ricci. Der trifft hier auf Nachtzirkus von Erin Morgenstern.
- Genre: Romantasy, Jugendbuch
- Erscheinungsdatum: 2017
- Verlag: Books on Demand
- ISBN: 9783744852210
- Ebook 424 Seiten
- Sprache: Deutsch
- Triggerwarnung: Häusliche Gewalt, Bodyshaming
Inhalt:
Jekatarina und ihre Familie gehören einem Zirkus an, reisen um die Welt. Diesmal sind sie in Dublin, wo Rina gleich bei der ersten Tour, um Plakate aufzuhängen, in einen selbsternannten Geisterjäger läuft. Was für ein Spinner. Doch dann ist da dieser Junge, den keiner außer ihr sehen kann.
Nach und nach muss Rina lernen, dass es neben unserer auch weitere Welten gibt, und sich dabei ihrer Vergangenheit stellen, die sie verdrängt hat. Kann es etwa doch Geister geben?
Charaktere:
Rina möchte so klug und besonnen sein. Nie würde sie einen schönen Freund haben wollen, denn immerhin zählt doch nur der Charakter. (Dass es selbst dann unlogisch ist, von vornherein gegen vermeintliche Schönheit zu sein, bevor man den Charakter einschätzen kann, kommt ihr nicht in den Sinn.) Aber auch generell ist sie absolut supertoll, ja, ich benutze ein solches Wort auch nicht gern. Sie kann sechs Sprachen, ist unglaublich beweglich, eine tolle Tänzerin, und so gut in der Schule, dass sie nach dem Abschluss lieber studieren will. Während letzteres natürlich nicht verwerflich ist, scheint Rina doch eher eine Mary-Sue zu sein, ein überperfekter Charakter. Einzig ihr Trauma, das aus den verdrängten Ereignissen rund um den Tod ihrer Cousine herrührt, schränkt sie ein. Viel vom Charakter selbst bekommt man aber nicht mit, da die meisten Abschnitte aus ihrer Sicht erzählt sind, und somit keinen objektiven Eindruck bieten. Mal ist sie mutig, mal weinerlich. Mal ach so klug, und dann benimmt sie sich wieder dumm. Mal ist sie für Gerechtigkeit, dann stiehlt sie. Was normalerweise einen komplexen Charakter andeuten könnte, wird hier aber nur beiläufig in die Geschichte eingebaut. Letztlich stört das aber zum Glück nicht zu sehr, da das doch eine handlungs- und nicht charaktergetriebene Erzählung ist.
Dann haben wir Geist Ewan, der sich letztlich als völlig anders herausstellt, als man meint. Wie seine Vergangenheit und Charakterentwicklung aber zu erklären ist, erfährt der Leser nicht wirklich. Einziges Argument: Er ist ja gestorben, das ändert einen.
Und den schwulen besten Freund, der deswegen vom Vater verprügelt wird, der aber herzensgut und immer für die Protagonistin da ist, darf natürlich nicht fehlen. Hier wirkt er leider sehr flach. Zumindest die Tatsache, dass er schwul ist, wirkt eher wie Quotenerfüllung oder eben Traum eines Teeniemädchens – Wer will denn nicht einen schwulen besten Freund haben in dem Alter? Ich bekenne mich auch schuldig. – und hat absolut keine Relevanz für die Geschichte. Ob man da ein Freund von Repräsentanz bei allem ist, auch wenn es für die Geschichte unwichtig ist, oder wie ich findet, dass Sexualität, Hautfarbe und Co. viel besser einfach nicht genannt werden sollten, wenn sie nicht wichtig sind, damit der Leser sich selbst in eben den Charakteren erkennen kann, die ER gut findet, ist aber Geschmackssache, schätze ich. Störend ist dieser Charakter jedenfalls nicht.
Die Nebencharaktere fallen hier auch durch ziemliche Eindimensionalität auf, was aber der Handlung nicht schadet und sie im umgekehrten Fall auch nicht groß verändern würde.
Meinung:
Eigentlich war die Handlung wirklich schön zu lesen und hat mir über weite Strecken Freude bereitet. Eine schöne Grundidee, die bis auf ein paar störende Stellen und ein paar in meinen Augen fehlende Dinge auch gut zu Ende geführt wurde.
Aber die Stellen sind es eben, wegen derer ich das Buch nicht höher bewerten kann. So haben wir hier zwischendurch Bodyshaming. Rina kriegt von ihrer Mutter kaum essen, weil sie, trotz ihrer Beweglichkeit doch zu dick sei, dabei sagt sie selbst, sie habe schon keine Kurven. Andererseits aber macht Rina wiederum auch mal so einen Kommentar. Wie denn ein so dicker Mensch zwölf Frauen gefunden hat, die ihn freiwillig heiraten würden. Obwohl der entsprechende Charakter ein Ekelpaket ist und man sich auf Grund seines Benehmens selbiges fragt, geht es mal gar nicht, von seiner Figur auf sein Recht, geliebt zu werden, zu schließen. Vor allem in einem Buch, wo die Protagonistin ihrerseits eigentlich gegen solche Vorurteile kämpfen zu wollen scheint, leidet doch ihr Adoptivbruder an der Krankheit, bei denen einem überall am Körper dichte Haare wachsen. Man sollte also meinen, dass genau sie nichts auf Äußerlichkeiten gibt.
Störfaktor Nummer zwei ist der Umgang der Familie untereinander. Es stört niemanden, dass Rinas schwuler bester Freund und Cousin nur wegen seiner Sexualität ständig von seinem Vater verprügelt wird. Und, dass Rina auf Diät gesetzt wird, interessiert auch niemanden. Dass sie trotz ihrer offensichtlichen psychischen Erkrankung, die ihr auf dem Hochseil Panik macht, wegen Ausfall einer anderen Akrobatin dort hochgezwungen wird, scheint auch völlig in Ordnung zu sein. Dieser Zirkus ist ein dringender Fall fürs Jugendamt und niemanden stört es? Nicht mal die Kinder selbst?
Der kleine Recherchefehler, der mir auffiel, und der Vorurteile über das fahrende Volk – die seien doch nie im Leben gläubig, was im katholischen Irland durchaus auch abfällig gemeint sein kann – ohne Korrektur da stehen lässt, ist im Vergleich dazu beinahe eine Nichtigkeit.
Ansonsten war mir die Geisterwelt noch nicht ausreichend erklärt, gerade im Hinblick auf physikalische Gesetze. Plötzlich funktionieren Dinge, die dem normalen Geisterklischee widersprechen, ohne, dass darauf eingegangen wird. Der Leser soll alles ohne Informationen fressen. Der Weltenbau hätte also gern noch ausführlicher sein können. Und vor allem früher. Ich habe lieber anfangs Infodump, als dass ich mir bis zum Ende die Hälfte selbst zusammenreimen muss. Ehrlich gesagt LIEBE ich Infodump sogar. Liebe Autoren, glaubt nicht an die Lüge, Infodump sei immer böse und ihr dürftet das auf keinen Fall machen. Das ist auch nur Geschmackssache.
Eine letzte Sache, die mich etwas traurig gestimmt hat, war, dass hier Chancen verschenkt wurden. So lernen wir zwischendurch einen Geist kennen, der sich als verheiratet mit einem Sterblichen ansieht. Aber Geister sind in der Welt der Sterblichen nicht bekannt. Darauf geht hier keiner ein, die moralischen Konsequenzen, die Gedanken daran, wie oder ob Geister Rechte erhalten könnten, und und und werden nicht einmal angekratzt. Auch political correctness im Bezug auf Geister spielt keine Rolle. So verzichtet der Roman auf die Chance, Denkanstöße zu geben und den Horizont zu erweitern. Und gerade, weil das ein Thema ist, das mich von klein auf sehr interessiert, finde ich das unglaublich schade.
Fazit:
Eigentlich eine schöne Idee mit guter Durchführung und sehr angenehmem Schreibstil, aber der Teufel steckt im Detail, so dass es hier leider ein paar problematische Aspekte gibt.
Meinungen anderer Blogger:
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