Nicola Yoon – Everything Everything

Everything, EverythingBuchdetails

  • Erinnert an: The Fault in our Stars von John Green
  • Genre: Jugendbuch, Romanze
  • Erscheinungsdatum: 2015
  • Verlag: Corgi Childrens
  • ISBN:  9780552574235
  • Taschenbuch 310Seiten
  • Sprache: Englisch
  • Triggerwarnung: Sexszenen, häusliche Gewalt, psychische Krankheiten (nicht Depression), bewusste Entscheidung für einen möglichen Tod als Nebenwirkung, aber wieder nicht aus Depression

Inhaltswarnung: SPOILER! Leider notwendig, um meine Meinung aufschreiben zu können.

 

Inhalt: 

Ihr Leben lang kann Maddie schon nicht aus dem Haus gehen. Sie hat eine seltene Immunkrankheit, die dafür sorgt, dass sie gegen alles allergisch reagieren könnte. Jede Kleinigkeit könnte sie umbringen, jeder Keim eines Besuchers sie krankmachen und töten. Ihr einziger Kontakt zur Außenwelt besteht so in ihrem Laptop und dem Tumblr-Blog, auf dem sie für Klassiker der Weltliteratur Ein-Zeilen-Spoilerrezensionen schreibt. Das alles ändert sich aber, als nebenan neue Nachbarn einziehen. Plötzlich ist Maddie die Welt innerhalb ihrer vier Wände nicht mehr genug. Sie kämpft dagegen an, doch Neugier zieht sie immer wieder zum Fenster, um zu sehen, was der Nachbarsjunge und seine Familie so treiben.

Und schließlich überredet sie ihre Pflegerin, den Jungen für einen Besuch ins Haus zu holen. Ab da steht ihre Welt Kopf.

 

Aufbau:

Textkapitel sind hier gemischt mit kleinen Zeichnungen. Wie Maddie sich fühlt, Experimente, die sie durchführen will, … Einfach und doch liebevoll gestaltet und schön anzusehen.

 

Charaktere: 

Maddie ist eine talentierte, intelligente junge Frau, die aber über das Buch hinweg mehr und mehr naiv wirkt. Auch sie ist, von der Krankheit abgesehen, eine ziemliche Mary-Sue. Sie liest Klassiker der Weltliteratur, ist in all ihren Fächern natürlich hervorragend (außer Mathe, yay, eine Schwäche), baut großartige architektonische Modelle und ist nebenbei wunderschön, weiß das aber nicht. Eben so ziemlich der typische weibliche Protagonist in Jugendromanzen. Allerdings ist sie sehr sympathisch und lustig geschrieben, so dass es zumindest mich beim Lesen nicht allzu sehr in den Wahnsinn getrieben hat, dass sie natürlich soooo perfekt ist.

Nachbarsjunge Olly hingegen ist … etwas anders. Rebellisch, immer in schwarz gekleidet, draufgängerisch, aus einer kaputten Familie. Er liebt Mathe und Astronomie. Warum er Maddie dann aber nicht in Mathe Nachhilfe gibt, erschließt sich nicht. Warum nicht das Nützliche mit dem Schönen verbinden?
Irgendwie ist Olly aber nicht ganz rund. Er ist zu gut gelaunt, zu wenig traumatisiert für all das, was er erlebt hat und noch erlebt. Und dafür, dass er sein Leben eigentlich tagtäglich riskiert, ist er bei Anderen beinahe schon gluckenhaft vorsichtig – ja, gut, das macht natürlich die Lieeeebe. Irgendwie hätte man bei ihm noch mehr in die Tiefe gehen müssen. Menschen können widersprüchlich in ihren Charakteren sein, das ist sogar gut. Aber dann braucht es Erklärungen.

 

Meinung:

Der Schreibstil und die Zeichnungen sind locker-leicht und wunderschön. Aber leider bietet auch dieses Buch Botschaften, die mir etwas gegen den Strich gehen.

Ich verstehe einfach nicht, warum Maddie keine Freunde haben darf. Selbst online schreibt sie offenbar nur ihren Blog und redet mit niemandem? Und kaum hat sie Olly mal berührt, muss es ganz oder gar nicht sein. Als ob Freundschaft oder Liebe ohne Berührungen und physische Begegnungen nichts wert sei. Und das ist ein Vorurteil, das mir SO zum Hals raushängt. Denn ich bin genau auf solche Freundschaften angewiesen und ich hasse es, dass Autoren in ihren Lesern ein Weltbild kreieren, in dem ich zu einem Freund zweiter Klasse degradiert werde, oder zu einer Freundschaft, die es nicht wert ist, aufrechterhalten zu werden, weil da ja das angeblich Wichtigste fehlt. Mir ist klar, dass kein Autor, der das so darstellt, im Sinn hat, solche Auswirkungen zu haben. Sie schreiben das nur aus Sicht ihrer Charaktere oder aus eigener Sicht, stellen es aber als allgemein gültig da und bedenken dabei nicht, dass andere es anders sehen könnten.

Mein nächster Störfaktor ist zweiteilig. Zum einen ist Maddie ziemlich naiv. Wenn sie gegen alles allergisch sein kann, wieso darf sie dann problemlos Dinge im Internet bestellen, mit Kleber (immerhin für manche sogar eine Droge) Modelle basteln, und unglaublich ausgefallene Speisen essen, immer wieder etwas Neues? Auf Seite 97, also bei etwas unter einem Drittel, wusste ich schon, wie es ausgehen würde. Ich habe Goodreads als Beweis. Und ich habe mir SO gewünscht, dass ich falsch liege.
Denn hier kommt der zweite Teil und der eigentliche Spoiler: Maddie ist kerngesund. Ihre Mutter hat sie nur nach dem Tod ihrer restlichen Familie weggesperrt, um sie zu behalten. Das hat ihr Immunsystem mangels Kontakt zu Keimen zwar tatsächlich über die Jahre etwas geschwächt, aber ihr ist ein normales Leben möglich, mit etwas Eingewöhnungszeit. Also wieder ist am Ende alles gut. Wie in Büchern ständig. Entweder werden Leute durch Liebe von all ihrem Leid geheilt. Oder aber, wenn das Leid mal einem glücklichen Leben entgegen steht, muss es natürlich temporär oder fiktiv sein.

Dieses Buch hätte die Chance gehabt, Leuten, die wegen Krankheiten, Soziophobie, oder sonst irgendetwas nicht aus dem Haus können, die Hoffnung zu geben, dass da draußen Leute sind, die dennoch zu ihnen halten und sie lieben. Stattdessen … muss ein Protagonist am Ende natürlich gesund sein. Gott bewahre, kranke Helden, die lernen, mit Leid glücklich zu werden, darf es doch nicht gehen. Wo kommen wir denn da hin, wenn man Menschen, die nicht perfekt sind, nicht sagt, sie müssten alles tun, um perfekt zu werden, denn anders könne man ja nicht glücklich leben?

Tja, und so hat die Autorin, die einen wirklich fabelhaften Schreibstil hat, am Ende leider die Geschichte … naja, schon etwas verhunzt. Es musste eben das klassische Happy End geben.

Meinen Hut aber ziehe ich vor dem Umgang mit häuslicher Gewalt hier. In den letzten Rezensionen kam sowas ja immer wieder mal vor und wurde nicht gut aufgelöst. Hier geht das Buch an die psychischen Aspekte zwar auch nur oberflächlich heran, behandelt das Thema aber doch sehr gut.

Nur unter ‚ferner liefen‘ sei noch bemerkt: Repräsentanz ist hier zumindest für PoC gegeben. Maddie ist afrikanisch-asiatische Amerikanerin, Olly offenbar weiß (ganz genau wird es nicht gesagt) und Hautfarbe spielt für niemanden im Buch eine Rolle. Hier wird ein wirklich schönes Vorbild geboten.

Fazit: 

Wieder ein eigentlich gutes Buch, aber mit Botschaften, die mir übel aufstoßen und einer vergebenen Chance, ein wirklich großes Werk für Toleranz und Diversität zu schreiben.

 

Meinungen anderer Blogger: 

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3 Gedanken zu „Nicola Yoon – Everything Everything“

  1. Seit ich (schon vor längeren) erfahren habe, wie die Auflösung aussieht, habe ich entschieden, auf das Buch zu verzichten. Es ist immer wieder so enttäuschend, wenn alle Einschränkungen am Ende einfach weggeblasen sind. Weil das Leben vorher dann einerseits als weniger lebenswert eingestuft wird und zum anderen lassen sich so auch keine „Lösungen“ mitnehmen.

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    • Jaaaaa, du sagst es. Ich mein, es ist wirklich schön geschrieben, der Stil ist genau das, was ich gern lese. Aber ich hätte mir so viel mehr Mut gewünscht. Und auch, wenn ich nicht glaube, dass die Autorin wusste, wie ihr Buch verstanden werden kann, hätte ich es schöner gefunden, hätte sie vorher mal Betroffene gefragt und dann wenigstens diese Botschaft von nicht lebenswertem Leben abgemildert.

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  2. Hallo Taaya,

    ich habe das Buch vor zwei Jahren auch gelesen und mir ging es ähnlich. Es gab dann zu viele Punkte die mich störten. Diese Naivität von Madison kann ich sehr verstehen, mich hat auch gestört. Und dann wie du schon sagst, die Auflösung. Auch wenn ich selbst jetzt kerngesund bin, verstehe ich nicht, warum die Autorin es so gedreht hat am Ende. Sie hätte es wirklich so drehen kann, dass auch wenn ma eine Krankheit hat, trotzdem ein lebenswertes Leben hat.

    Letzendlich war ich dann vom Buch auch eher enttäuscht, als angetan.

    Alles Liebe, Ela

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