Alan Gratz – Amy und die geheime Bibliothek

Amy und die geheime BibliothekBuchdetails

  • Erinnert an: Mathilda, aber ohne Magie, auf gewisse Art auch an die Kinderserie ‚Kim Possible‘, wegen der Geheimnisse in Spinds
  • Genre: Kinderbuch (etwa ab 8, denke ich? Es werden Sex und Homosexualität, ebenso wie der Tod erwähnt, aber es gibt keinerlei Details.)
  • Erscheinungsdatum: Februar 2019
  • Verlag: Carl Hanser
  • ISBN: 9783446262119
  • Hardcover 243 Seiten
  • Sprache: Deutsch
  • Positiv anzumerken: eine schwarze Protagonistin, was bei Kinderbüchern noch selten ist
  • Negativ anzumerken: Die Kinder machen Witze über die Verruchtheit von Homosexualität. In Anbetracht, dass sie gerade gegen Zensur kämpfen und wollen, dass Bücher, in denen Homosexualität vorkommt, wieder zur Verfügung stehen, kann man das vielleicht neutral sehen? Aber hier war ich mir nicht sicher.

Inhalt: 

Endlich sind die fünf Tage Frist um, die dazu da ist, auch anderen Kindern die Gelegenheit zu geben, Amys Lieblingsbuch auszuleihen. Endlich darf sie es sich wieder holen. Ein Buch über ein Mädchen, das aus seiner Pflegefamilie wegläuft, dann aber doch ein Happy End mit dieser Familie hat. Für Amy das wichtigste Buch überhaupt, ist ihre Familie doch so laut und chaotisch, dass Amy sogar Ausreden erfindet, um länger in der Schule bleiben zu dürfen, nur, weil sie hier ihre Ruhe hat.

Doch als sie in die Bibliothek kommt, ist das Buch nicht da. Hat es jemand ausgeliehen? Und dann der Schreck. Das Buch wurde verbannt, weil es Kinder angeblich zu schlechten Menschen macht. Doch auf der Liste der Bücher, die die Kinder nicht mehr ausleihen dürfen, stehen noch viel mehr.

Schnell entwickelt sich zwischen Amy, ihrer besten Freundin und deren Schwarm eine Art Schwarzmarkt für die verbannten Bücher. Und als die Liste immer weiter wächst und gleichzeitig immer mehr Kinder an sie herantreten, um dennoch an die verbotenen Werke zu kommen, steht fest, dass das im großen Stil aufgezogen werden muss. Eine geheime Bibliothek. Doch die Angst, erwischt zu werden, wird immer größer.

 

Charaktere: 

Amy selbst hat einen schönen Charakterwandel, der hier gut begründet abläuft. Eigentlich fehlen noch ein paar Nuancen zu einem runden Charakter, noch ein paar mehr Eigenschaften, aber für ein Kinderbuch mit auch nicht allzu vielen Seiten und sehr viel Plot geht das klar.

Ihre beste Freundin Rebecca und deren Schwarm Danny hingegen bleiben relativ flach. Rebecca macht zuerst nur mit, weil Danny an den Büchern interessiert ist, und danach, weil sie unbedingt Anwältin werden will und das hier für sie eine perfekte Gelegenheit ist, zu trainieren, wie man Mandanten aus Schwierigkeiten rausholt. Und warum Danny genau so ein Interesse an den Büchern hat, erfahren wir nie. Er ist nett, aber seine einzige herausragende Eigenschaft ist, dass er der Schwarm der Mädchen ist. Oh, und verliebt in seine Haare. Auf der einen Seite ist das ein wenig unbefriedigend, weil man so kaum etwas über ihn erfährt. Auf der anderen Seite ist das aber auch ein schöner Aufbruch des Klischees, denn oft sind in Kinderbüchern einerseits zwei Jungs und ein Mädchen die Protagonisten, und dann sind gerade die Mädchen oft die Zierde der Gruppe, ohne tiefergehende Eigenschaften. Das hier könnte man also als bewusstes oder unbewusstes Spielen mit den gängigen Konstellationen in Kinderbüchern verstehen.

(Dennoch sollte zumindest Rebecca mal mit ihren Eltern reden. Wer eine Sitzung einer geheimen Schülergruppe damit verkompliziert, dass alle sich wortgenau an Verfahren innerhalb von Firmen oder großen Vereinen halten müssen, der … hat bestimmt eine tolle Karriere in der Bürokratie vor sich, aber gesund klingt es nicht.)

 

Meinung:

Eigentlich hatte dieses Buch erst sogar fünf Sterne, bis ich angefangen habe, diese Rezension zu schreiben, und noch einmal über die Charaktere nachgedacht habe. Ein bisschen besser wäre es also doch noch gegangen. Mit etwas mehr Tiefe für die größeren Nebenfiguren.

Aber darüber hinaus war das Buch wirklich gut. Ich mag die Botschaft hinter dem Kampf gegen Zensur, und ich mag, dass hier Schülern in der vierten Klasse schon zugetraut wird, eine eigene politische Meinung und ein Verständnis für Menschenrechte zu haben. Sich zu politisierien und auch clever mit den Mitteln der Bürokratie zu kämpfen. Und die Botschaft, dass Bücher einem Halt geben können. Aber auch, dass Kinder auch mal Bücher brauchen können, die etwas zu albern, etwas zu ernst, schwer verständlich oder thematisch belastend sind, weil sie sich nur so entfalten können, wachsen, lernen.

Dazu nimmt es noch ein wenig die Helikoptereltern der heutigen Zeit aufs Korn und hält ihnen den Spiegel vor.

Und auf der anderen Ebene ist da noch die familiäre Situation bei Amy zuhause. Hier habe ich erst überlegt, ob das vielleicht unfreiwillig rassistisch ist. Die Familie wird als ziemlich chaotisch dargestellt, die Eltern haben mehr Kinder, als sie bändigen können, und scheinen sich nicht wirklich dafür zu interessieren, was sie machen, weil sie selbst ständig zwischen Arbeit und Fahrdienst für die Kinder rotieren und natürlich ihr bisschen Freizeit mit Zähnen und Klauen verteidigen. Die Familie wirkt zunächst ziemlich kaputt.

Aber mir fielen mehrere Geschichten ein, wo genau das auch bei weißen Kindern thematisiert wird, also denke ich, dass hier keine Rassismen wirken, sondern im Gegenteil, auch mal Kinder of Colour das Gefühl bekommen sollten, dass SIE verstanden werden, dass es okay ist, wenn sie mit ihrer Familie Probleme haben und das Leben hart ist.

Und gerade die Entwicklung in der Familie über das Buch hinweg hat mich am meisten bewegt. (Ja, ich habe bei einem Kinderbuch geheult. Pssst, verratet es niemandem.) Die Geschichte dahinter ist so altbekannt, dass sie in jeder dritten RTL-Nachmittagsshow (als es noch welche gab) vorkam, aber sie ist hier mit dem Plot auf der Schulebene als Katalysator sehr schön geschrieben.

Heraus kommt dabei ein Buch, dass mich an den richtigen Stellen frustriert und belastet, wütend und kämpferisch gemacht und dann mir Hoffnung gegeben hat. Es ist zwar noch etwas Luft nach oben, aber dennoch hat mich das Buch begeistert.

 

Fazit: 

In den Nebencharakteren etwas blass, aber mit sehr wichtigen Botschaften, die Kinder auch mal etwas mehr zutrauen, als nur das ewige Stolpern in die Rettung der Welt mit mehr Glück als Verstand, nämlich geplantes Vorgehen und ein Verständnis der Erwachsenenwelt.

 

Meinungen anderer Blogger: 

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2 Gedanken zu „Alan Gratz – Amy und die geheime Bibliothek“

  1. Hallo Taaya,

    ich verstehe deine Kritik am Buch. Gerade das Chaos in Amy´s Familie ärgerte mich sehr, da es wirklich so wirkte als würde Amy vernachlässigt.

    Doch den Rest fand ich wirklich toll. Ich mochte die Charaktere sehr und fand die Thematik sehr spannend, da ich selbst als Kind ohne die Bibliothek in der Nähe viele Bücher nie in der Hand gehabt hätte. Während des Lesens spürte ich übrigens eine richtige Woge von Glück. Der Moment wo die Kinder ihre kleine Bibliothek aufbauten und sich immer mehr als kleine Leseratten entpuppten, war einfach Euphorie pur.

    Viele liebe Grüße, Anja
    #litnetzwerk

    Antworten
    • Huhu Anja,

      ja, der Rest war gut. Mir gefiel das Konzept auch sehr und gleichzeitig war ich froh, dass das bei uns (soweit ich weiß) nicht so ein großes Problem ist. Wenn man sich dagegen in den USA Listen aktuell (lokal) verbannter Bücher anschaut … fürchterlich.

      LG
      Taaya

      Antworten

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