Dora Heldt – Wind aus West mit starken Böen

Wind aus West mit starken BöenBuchdetails

  • Erinnert an: so ziemlich alle Strand-Romane, nur, dass dieser hier eher an Frauen um die 50 gerichtet ist
  • Genre: Romantik
  • Erscheinungsdatum: 2014
  • Verlag: dtv
  • ISBN: 9783423260398
  • Taschenbuch 496 Seiten
  • Sprache: Deutsch
  • Triggerwarnungen: Übergriffigkeit, Betrug in der Beziehung, Erwähnen von Selbstmordversuchen, potentielles Gaslighting
  • Positiv anzumerken: Charaktere über 20, ein schwuler Charakter

Inhalt: 

Eigentlich versucht Katharina, ihre Vergangenheit zu vergessen. Ihr Leben ist gut organisiert und in ihrem Job als Rechercheurin ist sie talentiert, sogar so gut, dass sie gezielt von großen Namen angefragt wird. Wen stört es da schon, dass sie nur oberflächlichen Kontakt zu ihrer Familie hat, und selbst ihre Freunde ihre Beziehung langweilig finden?
Doch dann bringt sie ein Auftrag zurück nach Sylt, auf die Insel ihrer Kindheit – wo sie ausgerechnet dem Mann über den Weg läuft, der ihr vor zwanzig Jahren das Herz gebrochen hat. Und er will ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen.

 

Aufbau:

Leider ist das Buch nicht richtig danach aufgeteilt, aus wessen Sicht gerade erzählt wird. Das kann pro Absatz wechseln und gerade gegen Ende hin werden immer mehr Sichtweisen präsentiert, was ein wenig störend ist. Zum Glück ist der Schreibstil so gut, dass man dennoch nicht allzu stark aus dem Fluss kommt und schnell wieder hineinfindet.

 

Charaktere: 

Die Hauptpersonen sind Katharina, Ende 40, und ihre Schwester Inken, 39. Die Schwestern könnten auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher sein.

Katharina präsentiert sich sehr kontrolliert. Tatsächlich hätte ich sie anfangs auf dem autistischen Spektrum vermutet, oder zumindest angenommen, dass sie (leichte) Zwangsstörungen hat. Der Teppich muss immer gleich liegen, jede kleine Planänderung ärgert sie, und Chaoten hält sie nicht auf Dauer aus. Für mich war das erst einmal eine schöne Abwechslung, weil das mal was ist, womit ich mich identifizieren kann. Dann aber wurde sie mehr und mehr dekonstruiert. Sie war nicht immer so, Leute um sie herum kritisieren ihre Art. Und mehr und mehr findet sich auch selbst nicht mehr gut, so, wie sie ist.

Inken ist eine totale Chaotin. Sie leitet eine Segelschule, muss aber nebenbei putzen gehen, um sich überhaupt über Wasser zu halten – und greift noch auf kostenlose Arbeitskraft dreier Freunde der Familie zurück. Sie führt eine lockere Affäre mit ihrem Exmann und lässt alles stehen und liegen, vergisst sogar ihre Pflichten, wenn er mal Zeit für sie hat. Im Buch wird sie letztlich als Idealfigur präsentiert, da sie unabhängig, frei und entspannt sei.

Im Endeffekt benehmen sich aber beide vor allem unreif.

Auch die Nebencharaktere sind zwar größtenteils recht lebensecht gestaltet – aber halt nicht wirklich sympathisch. Es ist unglaublich übergriffig, wenn alle einem erzählen, die eigene Beziehung sei langweilig. Einzig Jens, der eben langweilig wirkende Freund von Katharina wirkt zumindest anfangs wie der ideale Mann. Berechenbar, verständnisvoll, verlässlich. Er verlangt keine große Leidenschaft, versteht es, wenn man lieber Ruhe will, und passt sich den Ticks seiner Freundin an, wirft ihr die nicht vor. Leider wird auch seine Perfektion über das Buch hinweg abgebaut. Leider. Das, was Katharina mit ihm zu Beginn hat, wäre für mich eigentlich das Optimum einer Beziehung.

 

Meinung:

Der Schreibstil ist wirklich gut. Angenehm zu lesen, ein paar zu viele Rückblicke in die Vergangenheit, auch etwas zu weit gestreut, aber nicht allzu störend.

Leider ist der Inhalt nicht so wirklich meins. Der Plot um Inkens Segelschule und Katharinas Rechercheauftrag herum ist toll – aber die Liebesgeschichten gefallen mir halt gar nicht. Erst recht nicht, wie die Nebencharaktere sich da einmischen.

Aber ich glaube, besonders sauer bin ich darüber, dass hier wieder einmal eine Art von Liebe als wünschenswert und ‚das einzig Wahre‘ dargestellt wird, die mir überhaupt nicht behagt. Für mich wäre genau diese ‚Langeweile‘ zwischen Jens und Katharina am Anfang das Ziel. All die Aufregung vorher ist für mich nur der Mist, durch den man durch müsste, um dann endlich wo anzukommen, wo Liebe nicht noch weiter anstrengt, sondern Sicherheit und Geborgenheit gibt. Aber aus irgendeinem Grund sind Romanautor*innen der Meinung, dass Feuer in jedes Stadium einer Liebe gehört und fehlendes Feuer bedeutet, dass man nicht den richtigen Partner hat. Das finde ich gefährlich. Nicht nur, weil es Leuten wie mir sagt, dass das, was wir wollen, falsch sei. Sondern auch, weil es wieder ein bestimmtes Bild reproduziert und keinen Lebensstil daneben als gleichwertig akzeptiert. Also nicht nur wird mir gespiegelt, dass ich falsch sei. Sondern diese Meinung wird auch noch in der Gesellschaft weiter zementiert.

Und dann noch die mangelnde Moral … „Ach, du musst wissen, ob du mit einem verheirateten Mann schläfst.“ Nein, das ist nicht meine Welt. Können wir nicht endlich auch in Romanen kommunizieren, dass es nur fair ist, wenn man merkt, dass man nicht glücklich ist, sich GLEICH vom Partner zu trennen, und nicht erst, wenn man lange genug jemand Anderen im Bett hatte? Wie sollen wir denn je als Gesellschaft voranschreiten, wenn unsere Medien immer nur unsere Fehler reproduzieren und damit noch als akzeptabel darstellen?

Zum Schluss ist dann da noch die Sache mit Katharina und ihren anfänglichen Besonderheiten. Denn ja, auch das ärgert mich, dass so etwas als falsch und ‚heilungsbedürftig‘ dargestellt wird. Dabei hat Katharina am Anfang überhaupt keinen Leidensdruck. Sie wird anfangs als zufrieden porträtiert – und erst nach und nach erfahren wir, dass das vielleicht nur ein Coping-Mechanismus ist (was nicht einmal logisch erklärt wird). Das heißt, was anfangs wie eine nicht neurotypische Identifikationsfigur mit einer erstrebenswert wirkenden Beziehung wirkt, wird immer weiter dekonstruiert, immer weiter wird gezeigt, dass ihr Leben falsch ist. Ich weiß nicht, ob ich das als ableistisch bezeichnen kann, da Katharina ja keine Diagnose hatte. Aber es fühlt sich zumindest für mich verletzend und beleidigend an, dass die Autorin jemanden wie mich für nicht richtig hält.

Fazit: 

Toller Schreibstil, aber ein Inhalt, der mich wütend zurück lässt.

 

Meinungen anderer Blogger: 

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