Willkommen zu einem der vielen Beiträge, in denen ich Fragen stelle, aber am Ende eben doch keine Antwort habe – entschuldigt diesen kleinen Spoiler. Heute:
Wie finde ich als Leser*in das für mich passende Buch?
Ausschlag zu diesem Beitrag hat ein Schreibratgeber gegeben. Nicht etwa, weil er so gut gewesen wäre. Nein, vielmehr hat er Autor*innen die immer gleichen Ratschläge gegeben, die vor ihm schon dutzende Ratgeber in die Welt gesetzt hatten – und nach ihm sicher auch so einige:
Du musst eine eigene Marke sein, über dich reden machen, präsent sein, netzwerken und dabei die Kontakte niemals schleifen lassen.
Klingt furchtbar? Eben. Ja, das System funktioniert so. Es ist damit in sich ziemlich behindertenfeindlich, denn nicht nur, dass Behinderte, je nach Behinderung, weniger Kraft und rein kognitive Kapazitäten haben (Siehe Spoon-Theorie), einige Umfragen haben auch gezeigt, dass Behinderte schlicht weniger Stunden am Tag frei haben, weil sie mehr Zeit für ihre Gesundheitsfürsorge aufwenden müssen – und da nicht so sehr die Möglichkeit haben, das schleifen zu lassen, wie Nicht-Behinderte, die vielleicht nicht einmal die 10k Schritte am Tag gehen, die die WHO rät. (Was kein Shaming sein soll, auch Nicht-Behinderte können natürlich nach ihrem Job oder nach Stunden mit den Kindern schlicht keine Energie mehr dafür haben. Nur, sie haben die Wahl, sich dann noch aufzuraffen. Behinderte leider nicht, wenn sie nicht wollen, dass ihre Behinderungen NOCH schlimmer werden.)
Aber bitte entschuldigt, ich habe mich wohl in einem kleinen Exkurs verloren. TL;DR? Das System ist für Behinderte noch schwieriger. Nicht absichtlich, das sind die wenigsten Systeme, aber eben dennoch ausschließend.
Und das ist erstmal nur die Autor*innenseite. Ich weiß nicht, wie es bei euch ist, aber als Leserin HASSE ich Autor*innen, die omnipräsent sind und mich ständig mit ihren Büchern nerven. Das heißt, dass Autor*innen, die sich diesem System anpassen, mir oft unsympathisch erscheinen. Ich mag Werbung nicht, kaufe viele Produkte genau deswegen nicht, weil ich von der Werbung zu diesem Produkt so genervt bin. Da kann das Produkt real noch so toll sein, bin ich genervt, kriegt es bei mir keinen Stein ins Brett und die Person oder Firma dahinter auch nicht.
Aber wie sonst sollen Bücher und Leser*innen dann zusammenkommen?
Ja, das ist die Frage, die ich mir da stelle. Finde ich nur deshalb keine Bücher, die mich wirklich extrem ansprechen, weil es sie schlicht nicht gibt? Bei der ungeheuren Masse an Büchern, die im Jahr rauskommen (und ich lese auch auf Englisch, habe also einen noch größeren Markt von dem ich wählen kann), ist das schwer vorstellbar. Aber eine Übersicht über alle Bücher, die existieren, gibt es nicht? Zumindest nicht so, dass man da leicht finden könnte, was man sucht.
Ein Problem ist natürlich, dass Amazon und Co noch keine wirkliche Möglichkeit haben, die Suche nach Büchern mit Filtern einzuschränken. Tatsächlich haben sie mittlerweile etwas mehr Genre-Einteilungen als noch vor einigen Monaten, was mich kürzlich positiv überrascht hat. Aber Genre allein sagt eben noch nicht allzu viel über den Inhalt aus. Und seien wir ehrlich – Klappentexte und Leseproben sind auch ziemlich nichtssagend. Klappentexte selbst grenzen meiner Meinung nach sogar sehr oft an Betrug, weil sie etwas völlig anderes ankündigen, als man später bekommt.
Und selbst, wenn es Filter geben würde, wären da immer noch teils Millionen Bücher, die man durchsuchen müsste.
Gibt’s da nicht was Besseres?
Ja, irgendwie schon. Es gibt verschiedene Apps, Communities und Websites, die da zumindest etwas helfen.
Zunächst gibt es da Goodreads, DIE Lesecommunity. Die meisten Bücher sind da schon zu finden, weil jede*r sie eintragen kann. Und man kann lustig Listen und Tags anlegen. Nur kann man auf der Seite selbst nicht wirklich danach suchen. Ich habe zum Beispiel gerade nach Cozy Fantasy gesucht – und bekam die besten Mysterys von 2020. (Mystery auf Englisch ist ein Subgenre von Krimi, also nicht mal, wie das deutsche Mystery, sowas wie Charmed oder Supernatural.) Entsprechend getaggte Bücher findet man nur, wenn man den Umweg über Google geht (oder durch Zufall bei einem Buch landet, das so getaggt wurde, und da auf den entsprechenden Link klickt).
Aber nicht nur kann man da nur nach einem Tag auf einmal suchen und sie nicht kombinieren. Sie sind auch unglaublich subjektiv. Bei Cozy Fantasy finden sich zum Beispiel Neil Gaimans Ocean at the End of the Lane (sehr schönes Buch, aber NICHT cozy, sondern düster und philosophisch), Charlie Holmbergs Spellbreaker (düster, mit Verbrechen und Gesellschaftskritik) oder Harry Potter (düster, mit der magischen Form von Nazis und einem Megalomanen, der die Herrschaft an sich reißen will). Nichts davon ist cozy, also kuschelig, gemütlich. Und Cozy SciFi gibt es dort gar nicht. Wirklich ideal ist das also nicht.
Erst frisch auf dem Markt ist die App Read-O. Leider gibt es sie bisher nur fürs Handy (und auch da bin ich mir nicht sicher, ob sie bisher nicht nur auf Android läuft). Hier hat man die Möglichkeit, nach Eigenschaften des Textes zu suchen und zwischen zwei Extremen per Schieberegler genau das zu wählen, worauf man gerade Lust hat.
Und wenn dann die entsprechenden Bücher gefunden wurden, kann man noch einmal auf bestimmte Tags (teilweise Genres, aber vor allem Schlagworte) zugreifen und die Suche weiter verfeinern.
Aber, wie man anhand der beiden Bilder schon sieht, kann man nicht von Anfang an Genres aussuchen, und wenn ich nach gemütlichen Büchern, die leicht unterhaltsam, sexfrei und möglichst ohne künstliche Spannung sein sollen – und das alles mehr in einem nüchternen Ton, weil ich mit ‚Show‘ nun einmal nicht klarkomme – findet mir dieses System vor allem Kochbücher. Und das, obwohl es keine 100% Übereinstimmung braucht. (Im Gegenteil, mir wird kein Match über 89% angezeigt.)
Außerdem scheint diese App bisher ausschließlich deutsche oder in deutscher Übersetzung erschienene Bücher zu beinhalten.
Und als Letztes kenne ich den Storygraph, der bisher noch in der Beta-Version ist. Neben Stimmungen und Genres kann man hier wählen, ob die Geschichte sich langsam oder schnell abspielen soll, und letztlich auch, wie viele Seiten das Buch haben sollte. (Wobei hier unter 300 und über 500 Seiten keine weiteren Wahlmöglichkeiten bestehen.)
Das Problem ist nur, dass die Suche noch nicht wirklich funktioniert. Suche ich nach Fantasy/SciFi, die hoffnungsvoll, entspannend und unbeschwert sein soll, mit mittlerem Pacing, kriege ich emotional-abenteuerliche Contemporary-Romane angezeigt. Nicht nur, aber eben doch erstaunlich viele Bücher, die höchstens einen meiner Filter (dann meist das mittlere Pacing) erfüllen. Und sogar, obwohl ich das klar ausgeschlossen habe, Bücher, die schon in meiner Bibliothek sind.
Ein großer Nachteil ist hier auch, dass die Bücher, die vorgeschlagen werden, ausschließlich auf Englisch sind. Wobei man mittlerweile Bücher selbst hinzufügen kann, also muss das ja nicht so bleiben. Immerhin sind deutsche Bücher im System – auch, weil man die eigene Bibliothek von Goodreads dort einpflegen kann, was das Ganze etwas einfacher macht und eben deutsche Bücher zwangsweise ins System holen kann.
Dennoch, das Nonplusultra ist auch das noch nicht. Kann es vielleicht werden, wenn die Suchfilter weiter ausgebaut werden. Aber bisher ist keine der drei Optionen in der Lage, mir ein Buch auszuspucken, dass meinen Wünschen entspricht.
Gibt es sie dann vielleicht doch nicht? Bücher für mich? Oder machen sich winzige SPler*innen, die vielleicht nur ein einziges Buch und auch nur ohne Lektorat herausgebracht haben, vielleicht sogar nur auf Wattpad, Sweek oder ähnlichen Seiten, einfach nicht die Mühe, ihr Buch in all diesen Systemen einzutragen, so, dass man es schlicht nicht finden KANN? Sind die Bücher vielleicht sehr wohl dort, aber vergraben unter einem Meer von Büchern, die sichtbarer sind, öfter gelesen wurden und deshalb vom Algorithmus eher angezeigt werden?
Ich weiß es nicht. Ich weiß, dass es mich frustriert. Und, dass letztlich keine*r daran die Schuld trägt. Aber ein bisschen Hoffnung macht es. Bei Read-O, Storygraph und Goodreads haben wir es in der Hand, was sichtbarer wird. Jede*r Autor*in, aber auch jede*r Leser*in kann Bücher bewerten, Bücher eintragen, Bücher taggen und sie auffindbar machen. Das wird eine unglaubliche Arbeit und vermutlich werden nie alle Bücher gut auffindbar in irgendeinem System sein. Aber vielleicht werden diese Systeme nicht nur langsam größer, sondern auch immer ausgereifter. Und vielleicht finde ich dann auch meine Cozy Fantasy oder Cozy Science Fiction, über Becky Chambers und die Anfangsromane von Charlie Holmberg hinaus.
Kennt ihr noch weitere solcher Systeme, die ich ausprobieren kann? Schreibt mir gern was dazu.
Ich mach das ein wenig altmodisch – ich guck mir an, was andere so lesen. Gerade bei goodreads kann man sich ja gut Menschen raussuchen, die einen ähnlichen Geschmack haben.
Außerdem schaue ich, wenn mir ein Buch gefallen hat, in welchen Listen es auftaucht und was Leser:Innen sonst noch mochten.
Ansonsten stimme ich dir mit der Werbung zu. Wenn Autor:Innen so viel schreiben, werde ich eher abgeschreckt von ihren Büchern und verbinde ihren Namen mit Nervigkeit.
Mein Problem ist, dass ich noch nicht richtig jemanden gefunden habe, der denselben Geschmack hat. Ich hab so ein paar, bei denen ich weiß, wenn denen das Buch gefällt, wird es bei mir mindestens 3 Sterne haben. Also, genug, um es zu genießen und durchaus wert, es zu kaufen. Aber so richtig Herzensbücher? Da bin ich vollends auf mich gestellt. Und gerade Übersicht über amerikanische Selfpublisher (oder auch deutsche Selfpublisher, die nicht bei Twitter sind), habe ich Null. Dass aber Verlage sehr selten überhaupt was für mich haben, habe ich mittlerweile gelernt. 🙁
Dann musst du das umgekehrt machen. Du suchst dir eine Person, die so gar nicht deinen Geschmack hat, und liest alles, was sie mit 1 Stern bewerten.
Selfpublisher finde ich tatsächlich auch nicht so häufig. Aber ich „lese“ auch meistens Hörbücher. Die kommen da normalerweise gar nicht erst raus.