#SchullektuereChallenge Rezension 11: Heinrich von Kleist – Amphitryon

Buchdetails

  • Erinnert an: griechische Tragödien, irgendwie aber auch an Brechts ‚Der gute Mensch von Sezuan‘
  • Genre: Klassiker, Drama
  • Erscheinungsdatum: Erstdruck 1807, Uraufführung 1899, Edition 2002
  • Verlag:  Reclam
  • ISBN: 3-15-007416-9
  • Taschenbuch 112 Seiten
  • Sprache: Deutsch
  • Trigger: Gewalt, Identitätsraub, theoretisch auch Vergewaltigung

Da dies eine Schullektüre ist, und ich auf den gesamten Inhalt eingehen muss, um meine Bewertung zu begründen, lauern hier SPOILER!
Ye be warned!

Inhalt: 

Als Sosias, Diener des Amphitryon, in der Nacht nach einer entscheidenden Schlacht zum Palast seiner Herrin kommt, um ihr vom Sieg ihres Gatten zu erzählen, wird er von Merkur in Gestalt von Sosias selbst aufgehalten und fortgeprügelt. Denn bei der Herrin liegt gerade Jupiter in Gestalt Amphitryons. Nun müssen beide Sterblichen versuchen, die Wirrungen zu verstehen, die sie zuhause erwarten.

 

Gelesen habe ich das Buch in Fach/Klasse: 

2004/2005, Klasse 10 im Fach Deutsch. Das schlimmste Jahr, dass ich in Deutsch je hatte. Zweimal Kleist (daher auch der Spruch auf dem Bild, das ist meine Ausgabe von damals), und einmal Sophokles, der in dem Jahr übrigens Abiturthema war, also längst nicht für uns geeignet. Dafür hat mein Lehrer dann den vorgeschriebenen Lehrplan ignoriert und uns nie beigebracht, Bewerbungen zu schreiben. Yay.

 

Das hielt ich als Schüler von dem Buch:

Ich habe es gehasst, aber tatsächlich noch mit zwei Sternen bewertet. Damals hat mich nur genervt, dass mein Lehrer es so unglaublich lustig fand, wie Sosias mit einer Laterne ein Gespräch probt, was er später mit seiner Herrin führen will. Also … ich habe es mehr gehasst, weil mein Lehrer es mochte, und dem Buch wenig Platz in meinem Denken zugestanden.

 

So hat sich meine Meinung geändert:

Mein Hass hat sich ehrlich gesagt vertieft.

Es fängt mit einer Kleinigkeit an. Das soll unter den Griechen spielen, und dennoch nutzt Kleist für seine Personen oft die römischen Namen der Götter. Ein klarer Anachronismus und gegen so etwas bin ich einfach allergisch.

Dann fehlen die Regieanweisungen. Wir haben hier ein Theaterstück, und fast alles, was sich irgendwie ereignet, müsste man aus dem Dialog herauslesen. Das macht es sowohl für den Leser als auch für den Schauspieler schwerer, dieses Stück halbwegs zu durchblicken.

Aber dann geht es ja noch weiter. Wie kann man es lustig finden, es als Komödie verpacken, wenn zwei Leute Identitätsdiebstahl betreiben und damit die Leben zweier Anderer gefährden, sie beinahe in den Wahnsinn treiben, und zumindest Hermes/Merkur den, dessen Identität er annahm, auch noch verprügelt. Wo ist das bitte lustig?

Und sich unter Vorspielung falscher Tatsachen ins Bett einer Frau zu schleichen, ist, rein rechtlich in unserer heutigen Zeit Vergewaltigung. Doch entschuldigt sich Zeus/Jupiter bei ihr? Nein, er klärt nur mit ihrem Gatten am Ende ab, was er ihm schuldig ist. Quasi haben wir hier also auch noch (Zwangs?-)Prostitution. Ja, unglaublich lustig, Herr von Kleist. Nicht!

Da ist es fast beiläufig, wie unerträglich die Sprache von Kleist ist, und, dass man das Stück um zwei Drittel hätte kürzen können, wenn alle Beteiligten einfach frei raus gesagt hätten, was sie erlebt haben und denken. Oder, wenn man schon einen ‚Amphitryon off‘ machen muss, also versucht, herauszufinden, wer der Echte ist, könnte man dann nicht vielleicht halbwegs intelligent vorgehen? Zeugen benennen, Informationen preisgeben, die kein Anderer als der Wahre haben kann?

Nein, ich hasse das Stück heute noch bei weitem mehr als damals, und ich verstehe nicht, wie das so völlig ohne Diskussion, völlig ohne Kritik als lustig unterrichtet werden konnte. Vielleicht mag das damals rechtens gewesen sein, vielleicht galt es als große Ehre, wenn ein Gott die eigene Identität stiehlt, ich weiß es nicht. Aber auch dann hätte man das im Unterricht zumindest kritisch hinterfragen und aus heutiger Perspektive aufarbeiten müssen. Und wenn Vergewaltigung als lustig dargestellt werden soll, hört es bei mir schlicht auf.

 

Fazit: 

Menschliche Idiotie und absolute Kommunikationsunfähigkeit trifft auf einen denkbar schlechten Humor.

 

 

Meinungen anderer Blogger: 

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