Die Unlogik der Bücherwürmer – Teil 2

Erneut hat sich Spock meiner Tastatur bemächtigt. Er saß lange davor, die Hände vor dem Gesicht verschränkt, bis auf  die ausgestreckten und aneinander gelegten Zeigefinger, bis er dann anfing zu tippen.

Seid gegrüßt

 

Nachtrag zum Bericht der Untersuchung von ‚Taaya‘, Spezies: Bücherwurm

Erster Bericht einzusehen im Hauptcomputernetzwerk der Sternenflotte: Hier

 

Grüße, Leser. Seit meinem letzten Bericht sind 10 Monate vergangen und noch immer hat mich die Sternenflotte nicht von diesem Forschungsaußenposten abgeholt. Ich nutze daher die Zeit, die Untersuchung fortzuführen. Denn der von mir beobachtete Bücherwurm zeigt weiterhin deutliche Anzeichen mangelnder Logik, die ich für gleichzeitig abschreckend und doch faszinierend halte.

 

  • Einzelbände sind zu kurz, Reihen aber zu lang
    Hier einige der Lieblingsbücher – fast alle Teil einer Reihe

    Der beobachtete Bücherwurm erklärt immer seine Vorliebe für Einzelbände. Er zögert, Bücher zu kaufen oder zu leihen, die auf seiner bevorzugten Bücherplattform im sogenannten Internet als Teil einer Reihe gekennzeichnet sind. Und immer wieder erzählt er in Gesprächen, dass er Reihen verabscheut. Doch ich erlebe ihn auch, wenn der Bücherwurm alleine ist. So kann ich hören, wie er sich darüber beschwert, einen Charakter aus seinen so genannten Einzelbänden näher kennen lernen zu wollen, und, dass das entsprechende Buch ihm diese Möglichkeit verwährt. Reihen würden diese Möglichkeit sehr wohl bieten. Aber anstatt sich eher mit ihnen zu beschäftigen, greift der Bücherwurm auf etwas zurück, was er Fanfiction nennt. Von Amateuren geschriebene Geschichten, die nicht vom Erfinder einer Figur genehmigt wurden, die diese Figur aber weiter erkunden.
    Ebenfalls ist mir im Umgang des Bücherwurms mit Reihen aufgefallen, dass er diese immer wieder herabwürdigt, seine eigenen Lieblingsbücher zu einem großen Teil aber zu Reihen gehören. Es wäre spannend, den Bücherwurm damit zu konfrontieren und zu schauen, wie sich die so entstehende kognitive Dissonanz weiter auswirkt.

 

  • Kein Erzählstil ist gut genug
    Auch beim Stil verhält sich das Exemplar der Spezies Bücherwurm äußerst unberechenbar. Es spricht immer davon, dass es ruhige Bücher bevorzugt. Kurz, aber ruhig. Die Geschichte soll sich wie eine Decke um den Bücherwurm legen. Ich nehme an, dass soll ein typisch menschliches Bildnis sein. Gleichzeitig scheint er aber eine regelrechte Allergie gegen Bücher zu haben, deren Handlung tatsächlich nur langsam von statten geht. In solchen Fällen bricht der Bücherwurm das Lesen ab oder springt von Dialog zu Dialog und verpasst dabei mitunter entscheidende Passagen. Es scheint nur sehr wenige Bücher zu geben, die den Bücherwurm den Stil betreffend wirklich überzeugen. Und bisher ist es mir nicht möglich, eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen zu entdecken.

 

  • Platz muss gefüllt werden, Fülle braucht Druck auf

    Platz genug für eine zweistellige Anzahl Bücher

    Den Zustand des Habitats meines Forschungsobjektes kann man nicht beschönigen. Es wohnt chaotisch. Einzig die gelesenen Bücher sind halbwegs nach Genre und Autor sortiert, doch ansonsten liegen überall ungeordnete Stapel noch nicht gelesener Bücher herum. In manchen Momenten beschwert sich der Bücherwurm, dass das Druck erzeugt. Nicht etwa, weil die Bücher darauf warten, gelesen zu werden, sondern, weil man sich so beim Kaufen zurückhalten muss, da Platzmangel herrscht. So verfällt der Bücherwurm alle paar Monate in einen Rausch. Er liest schnell Bücher, die er danach abgeben will, oder sortiert die aus, die ihn nicht mehr interessieren. Außerdem sortiert er in solchen Momenten auch Dinge aus, die keine Bücher sind.
    Zuletzt hat er so ein Regalbrett und zwei Schubladen geleert. Diese Leere baut nun aber wieder Druck auf. Der Bücherwurm ist unschlüssig, wie er sie füllen soll, da er gerade weder das Geld noch eine ausreichend große Buchwunschliste hat, um die Leere zu füllen. Die Leere aber zu ertragen, scheint für den Bücherwurm genauso schwierig, wie Fülle zu ertragen. Er erreicht keinen Zustand, der ihm Frieden schenkt.

 

Da der Bücherwurm weiterhin unlogisches Verhalten zeigt und ich noch keinen Kontakt zur Enterprise herstellen konnte, werde ich meine Beobachtung fortsetzen. Ich erbitte aber eine Lieferung hoch zuckerhaltiger, für Bücherwürmer verdaulicher Lebensmittel, um mir nach der Kooperation auch noch das tiefere Vertrauen des Bücherwurms sichern zu können.

Ich erwarte weitere Befehle.

Gezeichnet

Spock

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