Gemeinsam lesen #2

 

Willkommen zu einem weiteren Gemeinsam Lesen, einer Aktion der Schlunzenbuecher. Und schon kommen wir zu den Fragen:

1. Welches Buch liest du gerade und auf welcher Seite bist du?

 
2. Wie lautet der erste Satz auf deiner aktuellen Seite?
 
3. Was willst du unbedingt aktuell zu deinem Buch loswerden?
 
4. Liest du heute zum Valentinstag eine besondere Liebesgeschichte?
1. Ich lese gerade hauptsächlich Ranga Yogeshwars ‚Sonst noch Fragen?‘ und bin auf Seite 99.
2. „Frühlingserwachen: Jedes Jahr ist das ein großartiges Schauspiel – ein wildes Balzen, Summen und Gurren.“
3. Bei den physikalischen Phänomenen verstehe ich auf nur 2 Seiten Text einfach nicht, was dahinter steckt, da bräuchte ich schon eine volle Quarks&Co-Sendung, und die meisten anderen Sachen weiß ich eigentlich schon …
4. OH GOTT, NEIN! Ich hasse Valentinstag. Und das nicht etwa aus reiner Kapitalismuskritik, sondern weil ich es schon immer widerlich fand, wenn Leute mit ihrer Beziehung groß angegeben haben. Schülerpärchen, die fast in der großen Pause an die Wand gelehnt Sex haben, das ist doch eklig. Und im ‚Alter‘ wird es ja auch nicht besser, dann verlagern die Leute es nur in die Kaffeeküche oder die Disco. (Oder haben ernsthaft Sex in der Unibibliothek! Vor den Büchern!)
Jeder darf gern in seinen eigenen vier Wänden so glücklich oder unglücklich sein, wie er will. Und gegen Begrüßungs- und Abschiedsküsse von Pärchen sagt ja auch keiner was. Nicht mal, wenn der Abschied bei Fernbeziehungen mal ein wenig tränenreicher und auffälliger wird. Aber sich mit der Beziehung so sehr fremden Leuten aufzudrängen, wie es die ganzen turtelnden Paare am Valentinstag machen, das geht schon fast in Richtung des hartnäckig-nervigen Missionierens von Zeugen Jehovas. Tut, was ihr wollt, aber nervt doch damit nicht andere um euch herum. Habt Spaß und mehret euch, aber lasst mich da raus.
Also wenn ich an irgendeinem Tag gar keine Lust auf Schnulzen habe, dann am 14. Februar. Morgen wieder. Und ich hoffe, all die heute so klebrig-süß-demonstrativ-verliebten Paare vergessen nicht morgen schon, wie sehr sie einander lieben und werden dann wieder kalte Stockfische, die nur neben einander herleben. Das hasse ich nämlich auch. Ist wie Muttertag. Wenn man einen Tag im Jahr romantisch ist, soll das für ein Jahr reichen? Wenn, dann sollte man jeden Tag des Jahres zärtlich und nett zum Partner sein.
So, aber genug von meinem Valentinshass. Was lest ihr gerade so?

Montagsfrage #6/2017

 

Herzlich willkommen in der neuen Woche. Auch dieses Mal startet der Montag hier im Blog (oder auf dem Blog?) mit der Montagsfrage, die das Buchfresserchen stellt.

Welche Neuerscheinung auf die du dich freust, erscheint als nächstes?

Das wäre bei mir wohl Tommy Krappweis‘ vierter Band von Ghostsitter.

Ich bin nicht so der Mensch, der Neuerscheinungen unbedingt gleich kauft und liest. Normalerweise lese ich eher Bücher, die schon einige Jahre alt sind. Ich bin einfach nicht gern Teil eines Hypes. Entweder muss ich etwas, was berühmt wird, vorher schon gekannt haben, oder ich fasse es vermutlich nie an. (Ein Glück, dass ich Harry Potter entdeckt habe, als gerade Band 2 auf deutsch rausgekommen war, in der ersten, noch kleinen Auflage. Ein Leben ohne Snape ist möglich, aber sinnlos.) Daher stürze ich mich nicht gerade auf Neuerscheinungen, sondern lese abseits des Mainstream alles, was mir einfach so in die Hände fällt. Aber Ausnahmen gibt es bei meinen Lieblingsautoren. Gut, davon leben nur noch zwei, da Sir Terry Pratchett ja leider von uns gegangen ist und ich einfach kaum Autoren finde, die ich uneingeschränkt lieben kann.
Aber einer der beiden ist eben Tommy und seine Bücher hole ich mir, wenn ich gerade das Geld dazu und kein hinderliches Kaufverbot auferlegt habe, sofort. Und bei ihm ist das nächste Buch wohl Schreck im Spiegelkabinett. Noch etwas mehr freue ich mich aber darauf, dass er eine zweite Mara-Trilogie angekündigt hat. Das dürfte wohl noch etwas dauern, aber die Zeit kriegen wir schon noch rum.

Eine weitere Neuerscheinung, auf die ich seit Jahren gespannt warte, ist der dritte Teil der Mythenmetz-Reihe von Walter Moers. Nachdem das Labyrinth der träumenden Bücher eigentlich nur eine lange Ouvertüre zum dritten Band war, wird es mal Zeit, dass wir erfahren, wie es weiter geht. Aber das ist ja leider auf unbestimmte Zeit verschoben worden und ich glaube nicht mehr an die Fortsetzung.

 

Und auf welche Neuerscheinungen freut ihr euch besonders?

 

 

[Kurzrezension]Cecelia Ahern – Vermiss mein nicht

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Buchdetails

  • Erscheinungsdatum: 2007
  • Verlag: Argon Hörbuch
  • ISBN: 9783866102248
  • Hörbuch  7 Stunden
  • Sprache: Deutsch

 

Inhalt: 

Als sie zehn Jahre alt war, bekam Sandy Shortt mit, wie ihre Klassenkameradin verschwand. Seit dem widmet sie sich dem Wiederfinden verschwundener Dinge. Erst sucht sie obsessiv verlorene Socken, dann geht sie zur Polizei und schließlich eröffnet sie lieber eine Agentur für Personensuche.
Gerade als sie sich mit Jack treffen will, dessen Bruder sie suchen soll, verschwindet Sandy aber selbst. Und landet unter lauter verschwundenen Dingen und Personen.

 

Aufbau:

Als Hörbuch nicht so einfach zu verfolgen. Kapitel aus Sandys Perspektive in der Vergangenheit, wechseln sich mit denen aus der Gegenwart und denen aus Jacks Perspektive ab und während es für die beiden Protagonisten zwei Sprecher gibt, kriegt man die Zeitsprünge doch nicht immer sofort mit. Als Hörbuch damit nicht ganz optimal geeignet.

 

 

Fazit: 

Hier schreibt Ahern wieder, wie ich es bei ihr immer etwas störend finde. Die Idee ist nicht richtig gut ausgearbeitet und zum Schluss hat man mehr offene Fragen als vorher. Für sie mag das Buch abgeschlossen sein, aber das gilt nur für die Protagonisten, nicht für das Setting an sich. Das große Ganze verliert sie bei dem Versuch aus den Augen, die Lebensgeschichte ihrer Hauptfiguren zu einem akzeptablen Ende zu führen, aber bei mir hinterlässt das eher Unzufriedenheit und das Gefühl, dass das Buch noch nicht fertig ist.

 

F. E. Higgins – Das Gift der Schmetterlinge (Tales from the Sinister City #3)

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Buchdetails

  • Erscheinungsdatum: April 2012
  • Verlag: Oetinger Taschenbuch
  • ISBN: 978-3-8415-0162-2
  • Taschenbuch  288 Seiten
  • Sprache: Deutsch

Klappentext: 

Unwiderstehlich gruselig

Sind die Gemälde wirklich mit Blut gemalt? Und wer ist der geheimnisvolle Gefangene im Turm? Auf dem Schloss der eiskalten Lady Mandible geschehen merkwürdige Dinge. Dabei ist Hector nur aus einem einzigen Grund hier: um sich an Baron Bovrik zu rächen, der seinen Vater auf dem Gewissen hat. In der Nacht des Mittwinterfestes soll es geschehen und Hector weiß auch schon wie. Doch als er merkt, wohin er geraten ist, überschlagen sich die Ereignisse.

 

Inhalt: 

Hectors Vater ist ein Weinhändler, der jedoch ein dunkles Geheimnis hat. Als er damit erpresst wird und es trotzdem noch an die Öffentlichkeit gerät, ist er ruiniert und sein Herz gibt auf. Hector gerät daraufhin in ein Waisenhaus, und schwört bittere Rache. Als er den Mann, der seinen Vater verraten hat, wiedersieht, ergibt sich eine Gelegenheit, in dessen Nähe zu kommen und Pläne zu schmieden. Dass er dabei aber an einen Ort gerät, an dem sich noch viel schlimmere Dinge abspielen, hatte er nicht geahnt.

 

 

Charaktere: 

Die Wandlung des vorher fast vom Luxus verwöhnten Hectors in einen mit allen Wassern gewaschenen und nach Rache sinnenden Straßenjungen geht sehr glaubhaft von statten und auch, wenn er selbst sagt, er würde sich nicht mehr wieder erkennen, ist seine Charakterentwicklung doch sehr konsequent und durchdacht.

Antagonist Bovrik hingegen ist etwas sehr oberflächlich gehalten. Er geht über Leichen, nur um sich bessere Glasaugen und schönere Kleider anfertigen zu lassen und auch die kurzen Einblicke in seine Kindheit reichen nicht aus, um zu erklären, wie ein Charakter so ins Skrupellose abrutschen konnte. Er wirkt entweder nicht richtig zu Ende gedacht, oder aber es fehlen weitere Hintergrundinformationen, um seinen Werdegang besser zu verstehen.

Die Nebencharaktere sind dabei psychologisch gesehen noch interessanter, werden aber leider nur oberflächlich angekratzt. Da hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht.

 

Fazit: 

In der Mitte fand ich das Buch fast schon langweilig, aber gegen Ende hin hat es sich doch zu einem spannenden Werk gemausert. Darüber hinaus verbindet es Handlungsstränge und Charaktere aus den ersten beiden Bänden, ist aber dennoch eine in sich geschlossene Geschichte.

Dennoch muss ich einen Stern abziehen, weil es unterhaltsam, aber nicht durchweg gut oder spannend geschrieben ist. Ein zweiter Stern fällt der schlechten Recherche anheim. Denn der gesamte Charakter Bovriks baut auf einen Fehler auf: Glasaugen sind nicht rund! Ich muss es wissen, ich habe selbst eines. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch nicht möglich ist, dort Juwelen einzufassen. Einfach, weil das sofort zu Reibungen und damit später Entzündungen am Lid führen würde. Und wenn man sich nur ein wenig mit der Thematik befasst hätte, hätte man das gewusst und sich eine andere Behinderung für ihn ausgedacht, die glaubwürdiger gewesen wäre, ohne die Geschichte zu verändern.

 

Follow Friday 10. Februar 2017

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Heute habe ich diese schöne Aktion von FiktiveWelten gefunden, die vor allem dazu dienen soll, dass die Teilnehmenden neue Blogs kennen lernen und mit einander etwas Spaß haben. Dabei gibt es auch hier jeweils eine Frage zu beantworten. Ich gebe zu, so etwas liebe ich.

 

Wo liest du, wenn nicht zu Hause?

Ich gebe zu, ich gehe generell ungern aus dem Haus. Wird wohl bald notwendig werden, denn nach dem Studium muss nun einmal ein Job kommen, aber am liebsten bin ich in meinem kleinen Kokon aus Büchern, Merchandise und meinem Sofa.

Aber wenn ich aus dem Haus muss, hab ich ein Buch dabei. Immer, und sei es nur ein Ebook. Ich kann nicht gut in fremden Umgebungen lesen, aber wenn es beim Arzt doch mal zu lange dauert, mein Handy bei der Busfahrt schon so wenig Akku hat, dass ich keine Pokemon jagen kann, oder ich lange an Bushaltestellen warten muss, dann lese ich doch.

 

Und wo lest ihr so?

 

Top Ten Thursday 09. Februar 2017

 

Guten Morgen. Heute stellt Steffi aus der Bücherbloggeria die Frage, welche Klassiker jeder gelesen haben sollte. Das ist eine schöne Frage, zumal die Definition von Klassiker recht … schwammig ist. Ähnliches habe ich auch in meiner Masterarbeit gefragt – allerdings nur, um die Befragten etwas in Typen ordnen zu können.

 

Für meine eigene Liste bleibe ich mal bei Büchern, die mit Sicherheit Klassiker sind. So werden es aber wohl nicht ganz zehn werden.

  1. Nathan der Weise | Gotthold Ephraim Lessing – DAS Buch zu Toleranz zwischen den drei Weltreligionen und dazu noch mit Witz und einer Liebesgeschichte.
  2. Hamlet | William Shakespeare – „Wenn die Sonne Maden in einem toten Hund ausbrütet, bedeutet das eine Gottheit, die Aas küsst“ … Geht es noch cooler?
  3. Emilia Galotti | Gotthold Ephraim Lessing – In mir hat das irgendwie den Feminismus in mir erweckt.
  4. Macbeth | William Shakespeare – Hier habe ich gelernt, dass es manchmal besser ist, das Schicksal nicht als gegeben anzusehen, weil es sonst vielleicht für einen selbst in einer Katastrophe endet
  5. Pygmalion | George Bernard Shaw – Auch bekannt als My fair lady, das Musical. Eines der Stücke, die ich selbst gespielt habe. Hier lernt man, dass manchmal auch einfach das Auftreten bestimmt, wie die Welt einen behandelt.
  6. Die Physiker | Friedrich Dürrenmatt – Noch ein Stück, dass ich selbst gespielt habe, gleich mehrmals. Gleichzeitig lustig, tragisch und zu denken gebend. Darf alles gedacht und erfunden werden, nur weil es möglich ist?
  7. Pride and Prejudice | Jane Austen – Die Sprache ist anfangs etwas schwer zu lesen, aber unglaublich schön. Ich würde nicht sagen, dass es eine große Romanze ist. Die Romantik selbst fällt eigentlich recht dürftig aus. Aber dennoch hat es mir unglaublich gut gefallen.

Nathan der WeiseHamletEmilia Galotti: Ein Trauerspiel in fünf AufzügenMacbethPygmalionDie PhysikerPride and Prejudice

 

Und das war es auch schon. Wie man sieht, mag ich es, wenn man aus Klassikern etwas fürs Leben mitnehmen kann.

Ich habe noch mehr gelesen, natürlich. Goethe, Schiller, Thomas Mann, Georg Büchner, Sophokles, Kleist, aber keiner von ihnen konnte mich auch nur interessieren.
Demnächst kommen noch Homer und noch einmal Goethe – ich will Faust wenigstens kennen, alles andere wäre einfach eine Bildungslücke. Und vielleicht kann er mich ja diesmal begeistern? Es muss ja einen Grund geben, warum Germanisten sich so in ihn verlieben.

 

Und was sind eure liebsten Klassiker und warum?

Sophie Seeberg – Der Maik-Tylor verträgt kein Bio

 

Wie man sehen kann, bin ich hier mal etwas Genauer an das Buch herangegangen. Der Grund ist ganz einfach der, dass ich die Autorin nun schon einige Jahre kenne und sehr gern habe. Ich habe das Buch kostenlos von ihr bekommen und wollte so über alle Zweifel erhaben sein, dass ich mich bei meinem Urteil davon beeinflussen lasse, dass ich die Autorin mag. Daher insgesamt 8 Post-Its.
Eigentlich wollte ich grün alles anmerken, was ich unglaublich gut finde, orange alle neutralen Anmerkungen markieren und rot/pink Dinge, die mir negativ aufgefallen sind. Pink blieb ungenutzt, dafür musste ich noch lange nach einer vierten Farbe suchen, um eine Stelle zu markieren, an der ich noch etwas Neues gelernt habe. Nicht nur einen Einblick in einen Beruf, sondern einfach einen harten Fakt, der im Gedächtnis bleibt und klugscheißer-geeignet ist.

Buchdetails

  • Erscheinungsdatum: Februar 2017
  • Verlag: Knaur Taschenbuch
  • ISBN: 978-3-426-78854-7
  • Taschenbuch  303 Seiten
  • Sprache: Deutsch

Klappentext: 

Wo ist hier die versteckte Kamera?

Sophie Seeberg sucht auch nach zwanzig Berufsjahren als Familienpsychologin noch danach. Zum Beispiel, als die junge Mutter Jennifer strahlend erklärt, es ist gar nicht schlimm, wenn ihr das Jugendamt Töchterchen Samanta wegnimmt, sie hat ja mittlerweile einen Hund. Oder wenn Herr Obermeyer sich eine Selbstschussanlage in den Vorgarten baut, um den Ex-Mann seiner Ehefrau fernzuhalten.

Sophie Seeberg beschreibt, wie es in deutschen Familien wirklich zugeht.

 

Inhalt: 

Auch in ihrem dritten Buch beschreibt Sophie Seeberg Fälle, die sie in ihrer Tätigkeit als Gutachterin beim Familiengericht erlebt hat. Dabei versucht sie immer, die Lösung zu finden, die das Beste fürs Kind ist. Sie geht dabei aber durchaus selbstkritisch an die Aufgabe heran, was es recht erfrischend zu lesen macht. Wenig normative ‚So ist es‘-Botschaften an zu begutachtende Familien, wenn auch in diesem Buch doch einmal normative Sätze fallen. Nicht aber zu den Fällen, sondern an die Leser gerichtet. So finden sich hier Ratschläge und Bitten, wie man umgehen könnte, überhaupt erst ein Fall für das Familiengericht zu werden.

 

Leseeindruck: 

Hier muss ich mein Erleben beim Lesen mal als einen gesonderten Punkt darstellen, weil dieses Buch eine recht emotionale Reise war. Zunächst einmal sei vorangestellt, dass auch dies kein per se lustiges Buch ist. Das ‚reißerisch‘ wirkende Titelbild und der Name lassen für dein Käufer, der die Vorbände nicht kennt, diesen Eindruck entstehen, aber dem ist nicht so. Und das sollte es auch nicht sein. Zumindest finde ich besser, wie es jetzt, hier, auf Papier ist. Denn nur lustig zu sein, würde der Sache ihren Ernst nehmen und die Möglichkeit, Mitgefühl beim Lesen zu entfalten, begrenzen.

Es gibt lustige Stellen und gerade Sophie Seebergs Vorstellungskraft, ihr Kopfkino in manchen Situationen ist einfach nur auf niedliche Weise lustig. Aber das sind die wenigsten Stellen.

Aber gehen wir chronologisch zwei Momente durch, die ich mir markiert habe. Da gibt das Kapitel, in dem eine Mutter ihre Kinder eiskalt im Stich lässt, bei fremden Menschen in einer Kommune, und sich aus dem Staub macht. Und dennoch schreibt Seeberg, die dafür gesorgt hat, dass die Kinder in eine liebevolle Pflegefamilie kommen, dass ihr die Mutter leid tut. „Sie hat ihre Kinder verloren. Selbst verschuldet zwar und im Grunde ja sogar selbst gewählt. Aber ich glaube nicht, dass Joan Huber glücklich ist mit ihrem Leben.“ Diese drei Sätze wirken völlig unscheinbar, waren für mich dennoch aber etwas Besonderes. Denn hier sieht man, dass die Autorin nicht nur das Beste für die Kinder zu erreichen versucht, sondern auch Mitgefühl für die ‚Böse‘ in der Geschichte aufbringen kann. Etwas, wozu ich möglicherweise nicht die Größe gehabt hätte.

In einem anderen Kapitel habe ich heiße, beklemmende Wut gespürt. Nicht auf die Autorin, sondern auf eine ihrer Kolleginnen. Es hat mir den Hals zugeschnürt. Und dennoch … mochte ich das. Weil ich es mag, wenn ein Buch mich erreichen und berühren kann.

Das Buch war eine Achterbahnfahrt der Emotionen. Ich habe mehrfach geweint, einmal laut losgelacht, ich war wütend, verzweifelt, glücklich und traurig. Aber langweilig war mir nie.

Und es hat mir einen Ohrwurm verpasst, der mir zwei Tage im Ohr blieb und mir durch eine schwierige Situation geholfen hat.

 

Fazit: 

Eigentlich hatte ich diesem Buch vier Sterne geben wollen. Ich mochte es, glaubte aber kurz vor Ende, mich nicht in es verliebt zu haben. Das ist für mich der Maßstab für den fünften Stern, ich muss ein Buch lieben, heiß und innig.

Dann kam aber das letzte Kapitel und die entsprechende Ankündigung. „Das hier ist nun das letzte Kapitel.“ Und schon hatte ich Tränen in den Augen. Das passiert mir sonst nur bei Serienfinalfolgen. Und dann auch jedes Mal wieder, egal wie oft ich sie schaue. Aber auch hier hatte ich dieses bittersüße ‚Es ist vorbei und es wird nie wieder das erste Mal lesen geben‘-Gefühl und ich habe geweint. Geweint, weil ein Buch nicht zu Ende sein sollte. Und da war mir klar, dass ich es wohl doch liebe.

Ich möchte es jedem raten. Kann das aber nicht. Man sollte schon eine gewisse Toleranz für dramatische Situationen haben. Dies ist kein Feel-Good-Buch, sondern erfordert Empathie und auch, dass man auch das eigene Gefühlsleben erkunden möchte. Es ist mehr ein Drama als eine Komödie. Aber all den Menschen, die sich für die Thematik interessieren, auch den Magen haben, um zu ertragen, dass Kinder zuerst in unangenehmen Situationen sind, all denen, die gut unterhalten werden wollen, in jeder Richtung des Gefühlsspektrums, denen sei dieses Buch ans Herz gelegt.

 

Anmerkungen: 

Hier muss auch das noch sein, denn ein paar Dinge sind mir aufgefallen, die ich zwar nicht für bewertungsrelevant halte, aber doch mal sagen muss:

  • Vulkanier haben Gefühle, sie unterdrücken sie nur mal mehr mal weniger gut. Aber ich bin mir sehr sicher, dass die Autorin das auch weiß und es nur vereinfacht dargestellt hat, weil Nicht-Trekkies bei Vulkaniern immer dieses ‚Keine Gefühle‘ im Kopf haben. (Ja, auch daher das Star Trek-Kissen auf dem Titelbild.)
  • Ist es hier nur dichterische Freiheit, dass alle Kinder, denen geholfen wurde, am Ende Psychologe oder Familienrichter werden wollen? Es kommt etwas sehr häufig, das ist schon auffällig. Aber das würde mich nur interessieren. Vielleicht ist das ja wirklich so. Wie bei Kindern, die ein Familienmitglied haben sterben sehen, was sie durch Erste Hilfe hätten retten können, hinterher Ärzte werden wollen.
  • Danke. Ich habe hier um einen mir fremden Menschen geweint. Bis zu dem Moment habe ich geglaubt, dass ich so abgestumpft bin, dass mich Tode Fremder nicht mehr berühren können. Und dann wurde dieser fremde Mann erwähnt und ich hab mitleiden und weinen können.
  • Falls irgendjemand, irgendwann zu Nonfiction Fanfiction schreiben sollte und zufällig schreibt, wie Sophie Seeberg ein Gutachten bei der Addams Family schreiben soll, BITTE schickt mir eine Mail. Schon ab dem ersten Kapitel kam mir in den Sinn, dass ich das unbedingt einmal lesen möchte.

Das Leben einer Süchtigen

Habe gerade nach einem Buch gesucht, das ich für Wartezeiten vor dem Vorstellungsgespräch mitnehmen könnte und beim Durchwühlen meines SuBs ein Buch gefunden, das mich schockiert hat. Nicht wegen der Thematik, sondern weil ich mir sicher war, dass ich das NIE gekauft habe. Ich habe es immer in meinem Lieblingsantiquariat gesehen. Jedes Mal, wenn ich da war. Und jedes Mal überlegt, dass man es kaufen könnte, immerhin mochte ich den Film dazu. Aber ich kannte eben schon den Film, würde ich es je lesen? Und deshalb habe ich es wieder zurückgelegt.

Und jetzt ist es hier ….

Diversity bei Büchern?

In letzter Zeit wird mehr und mehr über Diversity in Büchern und bei den Autoren geredet. ‚Warum hat JK Rowling nicht bewusst Schwule und Lesben eingebaut?‘, liest man da bei Kommentaren unter Facebookbeiträgen großer Merch-Shops. Manche Fans kündigen der Harry Potter-Reihe daher sogar symbolisch die Freundschaft.

 

Szenenwechsel: Die großen Lese-Challenges, jeweils für ein Jahr. ‚Lies Buch eines Autors von einem anderen Kontinent‘, ‚Lies ein Buch eines afro-amerikanischen Autors‘,…

 

Gender und Diversity wird immer wichtiger. Ich bin eine Frau und schwerbehindert, natürlich finde ich mehr Sensibilität wichtig und zwingend notwendig. Aber das hier … Ich würde nicht sagen, dass mich diese Entwicklung unter Lesern besorgt. Nein. Jeder darf doch lesen, was er möchte. Ich bin nur irritiert. Aus verschiedenen Gründen.

 

Diversity bei den Charakteren?

Jeder möchte gern eine Identifikationsfigur haben. Auch ich. Ich fände es unglaublich toll, wenn der Held einer Geschichte mal nur ein Auge und Asthma hat, wie ich. Vielleicht gleich noch meine kleinen Zwangsneurosen? Asexuell, aber nicht aromantisch? Ich würde es LIEBEN. Aber ich verlange es nicht von Autoren. Denn ich bin auch auf der anderen Seite, ich schreibe auch. Nicht professionell, bis auf eine Kurzgeschichte nicht einmal veröffentlicht (wenn man vom Internet absieht). Ich erlebe, wie sich Charaktere anders entwickeln, als ich es geplant hatte. Und ich kann einem Charakter schon keine Geschichte aufzwingen, weil sie sich plötzlich falsch anfühlt. Wie soll ich ihm dann eine Ethnie oder eine Behinderung andichten, die sich nicht von selbst entwickelt oder natürlich anfühlt?

Daher würde ich niemals fordern, dass mehr Charaktere, die eine bestimmte Sexualität, Ethnie, Behinderung oder sonstige Besonderheit haben, in einem Buch vorkommen. Ich freue mich, wenn sie da sind, aber eine Geschichte lebt für mich nicht dadurch, wie verschieden die Charaktere in Merkmalen sind, die man sich nicht einmal aussuchen kann. Sie lebt durch verschiedene Persönlichkeiten. Alles andere sind Goodies, Special Features.

Ich suche jedenfalls nicht bewusst danach und habe, bis ich ein Buch durchgelesen habe, auch keine Ahnung, was darin vorkommt. Aber das soll keine Kritik an denen sein, die bewusst nach Besonderheiten suchen und die Bücher dann nur deshalb kaufen. Das ist Geschmackssache. Nur, Autoren zu kritisieren, wenn sie Bücher so schreiben, wie sie ihnen leicht von der Hand fließen? DAS werde ich nie begreifen.

Diversity unter Autoren

Das ist etwas, was ich sehr seltsam finde. Dass Menschen nun bewusst Bücher von Autoren anderer Ethnien suchen, um sie zu lesen. Dass es gefordert ist in Challenges. Bei den meisten Autoren in meinem Regal weiß ich nicht einmal, woher sie kommen. Wenn im Buch steht ‚Aus dem Französischen übersetzt von…‘ kann der Autor Franzose sein, aber auch aus Teilen Nordafrikas kommen. Und gab es nicht auch Inseln in der Karibik, wo man Französisch spricht? Soll ich nun einen Autor nur an seiner Herkunft bewerten? Erst stundenlang googeln, ob ich ein Buch finde, das von einem Menschen aus XYZ geschrieben wurde, egal, ob es nun mein Genre ist, oder nicht? Ich weiß bei vielen meiner Autoren nicht einmal, ob sie Männlein oder Weiblein sind. Marian Keyes ist vermutlich eine Frau, aber ich kannte auch einen Marian, ehemaliger Fußballspieler meines Lieblingsvereins und sein Sohn war beim gleichen Kinderarzt wie ich.

Ich frage mich, ob ich da zu …engstirnig bin. Sollte ich bewusst so handeln, wie es offenbar heute in internationalen Leserkreisen erwartet wird? Bücher nicht mehr nach der Inhaltsbeschreibung kaufen, sondern bewusst googeln, ob ich schon einen Autor und eine Autorin aus dem entsprechenden Land habe? Es ist ja nicht so, dass ich sie meide. Ich lese nur, was interessant klingt und da kann durchaus auch mal eine Nigerianerin darunter sein. Oder eben ein stinknormaler Amerikaner.

Aber gut, Herkunft kann man ja noch leicht herausfinden. Aber wieso gibt es auch Aufgaben, Bücher von einem homosexuellen Autor zu lesen? Schreiben Homosexuelle anders als Heterosexuelle? Und vor allem, machen das wirklich alle öffentlich, welche Sexualität sie haben?

Es wird oft kritisiert, wenn man wegen der Frauenquote eingestellt werden würde, wäre man nur die Quotenfrau. Dass einen das herabstufen würde. Ich finde das nicht, aber selbst wenn, würde das hier zum Ausgleich des Geschlechtermissverhältnisses in einem Job führen. Wohin führt es, wenn ich den Quotenschwulen in meinem Bücherregal habe? Er wurde schon verlegt. Er hat jetzt vielleicht ein paar Cent mehr, weil ich das Buch gekauft habe, vielleicht eine Rezension mehr, wenn ich darüber schreibe. Aber sonst?

Auch hier sage ich nicht ‚Lest keine Bücher von jemandem, der XYZ hat‘. Nein, ich frage nur, ob dieses bewusste Suchen nach Büchern von Autoren mit bestimmten Merkmalen denn wirklich sinnvoll ist. Wenn ich ihn nicht unter Zwang lese, sondern nur, weil sein Buch interessant klingt, ist das nicht besser für ihn und mich? Unser Leser-Autor-Verhältnis entsteht dann leichter, freier. Vielleicht mag ich das Buch dadurch sogar gleich mehr.

Mein Fazit

Mir ist es egal, aus welchem Land ein Autor oder Charakter kommt. Welches Geschlecht, welche Sexualität oder welche Behinderungen er hat. Ich möchte etwas nicht nur deshalb lesen. Aber ich möchte auch etwas nicht nur deshalb ablehnen. Ich finde es generell gut, Diversity zu unterstützen, aber unter Lesern geht mir das langsam fast etwas zu weit. Es artet in Zwang für beide Seiten aus. Autoren und Leser. Das ist für mich keine gute Entwicklung. Wenn jemand bewusst etwas über eine bestimmte Kultur lesen möchte, sehr gerne. Den Horizont zu erweitern ist immer gut. Aber bitte zwingt das doch niemandem auf, nicht in der Freizeit.

Und bitte zwingt Autoren nicht dazu, Charaktere nach euren Wünschen zu ändern. Mit etwas Pech kommt der Autor dann nicht mehr in sein Werk rein, weil es nicht mehr so fließen will, wie bisher. Weil es einfach nicht mehr der Charakter ist, den derjenige im Kopf hatte. Und dann hört die Reihe einfach mittendrin auf, wenn man sehr viel Pech hat.

Erfreut euch an der Vielfalt. Aber lehnt doch niemanden ab, nur weil er dagegen normal wirkt.

Oder bin ich vielleicht doch zu engstirnig? Wie sehr ihr das?