Catherine Ryan Hyde – Als ich dich fand

Als ich dich fandBuchdetails

  • Erinnert an: // Vielleicht partiell an Million Dollar Baby
  • Genre: Schicksalsroman
  • Erscheinungsdatum: 2009
  • Verlag: Tinte & Feder (was ein Imprint von Amazon Publishing ist)
  • ASIN: B00THIPIY4
  • Ebook 401 Seiten
  • Sprache: Deutsch
  • Triggerwarnungen: Vernachlässigung von Kindern, versuchter Kindsmord, häusliche Gewalt, Körperflüssigkeiten, Hirnverletzung, Krebs, Tod

 

Klappentext: 

Als Nathan McCann ein halbvergrabenes Baby im Wald findet, geht er davon aus, dass es tot ist. Doch dann bewegt es sich, und in einem einzigen kurzen Moment ändert sich Nathans Leben für immer.

Der kleine Junge wird zu seiner Großmutter geschickt, um bei ihr aufzuwachsen, aber Nathan kann ihn nicht vergessen, und er stattet der alten Frau einen Besuch ab. Er bittet um ein einfaches Versprechen: dass sie Nathan irgendwann dem Jungen vorstellen und ihm erzählen wird, dass er der Mann ist, der ihn im Wald gefunden hat.

Die Jahre vergehen, und Nathan nimmt an, dass die alte Dame ihr Versprechen vergessen hat, bis eines Tages ein wütender, schwieriger Junge mit einem Koffer in der Hand vor seiner Haustür steht …

Achtung, diese Rezension wird Spoiler beinhalten, zu so ziemlich dem gesamten Inhalt, weil dies nötig ist, um meine Meinung zu begründen

Inhalt: 

Anders als Klappentext und Bild vermuten, nimmt Nathan McCann nicht etwa ein kleines Kind auf. Als Nat Bates zu ihm kommt, haben wir schon gelesen, wie aus einem freundlichen und sensiblen Jungen ein jugendlicher Straftäter wird, der nur noch tiefer fallen muss. Und dennoch fühlt sich Nathan mit dem Jungen verbunden, dessen Leben er einst gerettet hat. Koste es, was es wolle, aber er wird an der Seite von Nat stehen und ihm helfen, seinen Weg zu finden. Dass sie dabei deutlich mehr Tiefen als Höhen haben werden, sieht allerdings auch er nicht voraus.

 

Charaktere: 

Ganz ehrlich? Die Charaktere zeichnen sich eigentlich alle einfach nur dadurch aus, absolut unfähig zur Kommunikation zu sein. Die ganze Geschichte hätte man im Keim ersticken können, hätten Nat und seine Großmutter nur mal vernünftig mit einander reden können. Und würde das heute spielen, würde das so auch gar nicht mehr gehen, weil er dank Internet längst seine ganze Geschichte gewusst hätte. Leider spielt das Buch aber von 1960 an.

Aber gut, was noch auffällt, ist, dass die Frauenfiguren hier so ziemlich alle nur Zierde sind. Gut, die Großmutter von Nat ist für ein Drittel des Buches halbwegs präsent, aber man lernt sie nie wirklich kennen und ihr Job ist eigentlich nur Plot Device für den weiteren Weg ihres Enkels zu sein.

Nathans erste Ehefrau wiederum fällt nur dadurch auf, dass sie ihren Mann runterputzt und dann tot ist. Seine zweite Ehefrau ist nur die Köchin, die ihn versorgt, obwohl sie vor der Ehe ein eigenes Leben zu haben schien. Wo ist das hin? Glücklich scheint sie damit aber auch nicht zu sein. Das wird nie angesprochen, aber sie benimmt sich von Anfang an wie ein Störfaktor im Haus und drückt die Stimmung. Und Carol, Nats spätere Liebe, ist auch nur dazu da, ihm einen Grund zum Leben zu geben und ihn zu bekochen. Wirklich jetzt? Sollte man von einer Autorin nicht irgendwie erwarten, dass auch nur EINE Frauenfigur sich durch mehr definiert als durch die Beziehung zu einem Mann?

Womit wir zu Nathan kommen, der der große Moralapostel ist. Er ist sanft, gutmütig, redet nicht viel, ist nicht wirklich naiv, mischt sich aber auch nicht groß in das Leben seines Schützlings ein, außer, um ihm immer wieder zu zeigen, dass er ihn bedingungslos liebt. Das ist schön gedacht, aber leider nicht ganz elegant umgesetzt, denn es wird nie kritisiert, dass die Geschichte deutlich besser laufen könnte, wenn er nur nicht so verdammt harmoniesüchtig wäre, oder mal ehrlich seine Meinung sagen würde. Aber nein, er lebt nach der Devise, dass jeder seine Fehler komplett selbst machen muss, ohne, dass an wenigstens einen kleinen Rat gibt, der dann ja immer noch ignoriert werden könnte.
Leider macht das Nathan nicht zu dem Vorbild, das er im Buch sein soll. Er ist kein unsympathischer Charakter, das nicht. Aber er bringt einen oft genug zur Verzweiflung. Und, dass er immer wieder als ein ach so besonders toller Mensch herausgestellt wird, steht dann eben doch im krassen Gegensatz zu dem, wie zumindest ich ihn wahrgenommen habe.

Meinung:

Der Schreibstil ist klasse. Wunderbar minimalistisch. Kaum unnötige Beschreibungen. Und während leider nicht groß erklärt wird, welche Gedankengänge und Emotionen hinter den Handlungen und Worten der Charaktere stehen, versucht das Buch gleichzeitig auch nicht, den Lesenden Emotionen aufzuzwingen, indem es ständig Show einsetzt. Nein, es wird nüchtern erzählt, was, finde ich, viel eher geeignet ist, echte Emotionen auszulösen – weil Lesende so rein anhand der Fakten entscheiden können, was sie fühlen. Ein viel mächtigeres Werkzeug, als jede Gefühlsregung mühsam zu diktieren, die man als Autor*in selbst für passend hält – die das manchmal aber gar nicht ist.

Leider war es das schon mit dem Positiven. Denn auch inhaltlich zeichnet sich das Buch durch Auslassungen aus. Wie aus dem kleinen, sensiblen Nat, für den es schon zu aufregend ist, ein Vogelbaby zu finden und gleichzeitig morgen den ersten Kindergartentag zu haben, ein aggressiver, verschlossener Junge wird, erfahren wir nicht wirklich. Sein ganzer Werdegang ist durch Unlogik geprägt. Und keiner nimmt ihn mal zur Seite, um ihn darauf hinzuweisen, oder ihm die Mittel zur Hand zu geben, sich selbst zu reflektieren. Naja, doch, Nathan macht es später. Aber leider immer nur in den unwichtigsten Momenten. Und viele Jahre zu spät.

In Rezensionen bei Goodreads wird auch noch kritisiert, dass PoC hier stereotypisiert dargestellt werden. Aber um das selbst bewerten zu können, hab ich zu wenig von ihnen gesehen. Zwei sind mir aufgefallen. Beides gute Boxer, einer mit einer tragischen Familiengeschichte. Aber in der deutschen Übersetzung wird der kritisierte Sprachstil nicht rübergebracht, sondern sie sprechen, wie jeder andere Charakter auch, so, dass ich nichts hatte, was mir übel aufstieß. Nur waren es schlicht sehr wenige PoC und sie fielen nicht wirklich durch irgendwas auf. Sie waren schlicht Zierde, wie so vieles Andere im Buch.

Der Hauptteil des Buches wird aber durchs Boxen bestimmt. Eigentlich ist dies hier die Geschichte, wie ein Junge Profiboxer werden wollte, aus welchen Gründen er scheiterte und wie er schließlich damit umging. Davon steht nur leider kein Wort im Klappentext, sonst hätte ich das Buch sicher nie gekauft. Boxen interessiert mich nämlich leider null. Womit wir zum Hauptkritikpunkt kommen: Das Buch bietet absolut nicht das, was der Klappentext und das Cover versprechen. Keine herzzerreißend kitschige Geschichte, wie ein mittelalter Mann einen kleinen Jungen bei sich aufnimmt, nur, weil er dem Zwerg einst das Leben gerettet hat und dabei merkte, dass ihm was an dem Jungen liegt. In Wirklichkeit nimmt er nicht einmal einen Teenager auf. Also doch, für zwei Tage, dann wandert der Junge für mehrere Jahre in den Knast und ist erwachsen, als er wieder rauskommt.

Und das ist jetzt kein Versehen des deutschen Verlags, dass Cover und Klappentext so irreführend sind. Im englischen Original sieht es genauso aus, ebenso international. Überall sind bewusst kleine Jungs irgendwo zwischen sechs und zehn gewählt, um auf dem Cover Leser*innen herzerwärmende Geschichten zu versprechen. Sprich: Wer dieses Buch nur anhand von Cover und Klappentext kauft, kriegt etwas völlig Anderes, als versprochen wird. Wenn einen Boxen interessiert, kann das eine schöne Überraschung sein. Für mich aber war es eine Enttäuschung und mich hat nur der gute Schreibstil durchhalten lassen.

Nur bin ich mir immer noch nicht sicher, ob ich nicht doch bedauere, das Buch nicht an einem der vielen Male abgebrochen zu haben, als ich genau das tun wollte.

 

Fazit: 

Will eine große Schicksalsgeschichte darüber sein, wie man ein guter Mensch ist, wird dann aber doch zu einer Boxgeschichte mit blassen Frauenfiguren und nur Kommunikationsschwierigkeiten als Grund für ALLES, was schief läuft. Dennoch angenehmer Stil.

 

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  • Verlag: Rowohlt Taschenbuch
  • ISBN: 978-3-499-63289-1
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Da ich in den letzten Tagen mehrere Bücher beendet habe, bei keinem aber wirklich genug für eine lange Rezension zu sagen habe und euch nicht mit gleich drei Posts vollspammen möchte, fass ich diesmal einfach alle Bücher zusammen.

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[Kurzrezension] Markus Orths – Lehrerzimmer

Lehrerzimmer

Parodie, Belletristik | 160 Seiten | Taschenbuch | btb | Deutsch
(Memo an mich: Ich sollte mir das endlich merken, damit auch Kurzrezensionen übersichtlich bleiben.)

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Der Stil Orths‘ ist leider wirklich anstrengend. In einem Satz teilweise 23 Kommata, obwohl nicht alle Teile des Satzes grammatikalisch und thematisch überhaupt zusammengehören.

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